Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Tätigkeit als Unternehmensberaterin. Syndikusanwalt bei nicht anwaltlichen Arbeitgeber. Befreiung von der Versicherungspflicht. berufsspezifische Tätigkeit
Orientierungssatz
Eine Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 für Pflichtmitglieder eines Rechtsanwaltsversorgungswerkes besteht nur, wenn diese eine berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Eine berufstypische Tätigkeit als Syndikusanwalt umfasst die Rechtsberatung, die Rechtsentscheidung, die Rechtsgestaltung und die Rechtsvermittlung bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber. Alle diese vier Kriterien müssen für einen Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht kumulativ vorliegen.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab 24.02.2002 für ihre Tätigkeit als Unternehmensberaterin streitig.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1969, war zunächst als angestellte Rechtsanwältin in D-Stadt Pflichtmitglied der dortigen Rechtsanwaltskammer und der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; heutige Bezeichnung: Deutsche Rentenversicherung Bund) befreite die Klägerin mit Bescheid vom 03.04.2001 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Angestellte mit Wirkung ab 20.12.2000 aufgrund ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin.
Zum 01.12.2001 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH - Unternehmensberatung für Versorgung & Vergütung - (im weiteren: Arbeitgeberin genannt) in B-Stadt auf. Nach dem zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin geschlossenen Dienstvertrag vom 06.11.2001 bestehen die Aufgaben der Klägerin (§ 1 (3) des Vertrages) “im Wesentlichen in der Beratung von Kundenfirmen des Geschäftsbereichs nach den von E. entwickelten Standards, Methoden und Systemen, in der Mitwirkung bei der Entwicklung und Weiterentwicklung von Beratungsprodukten und Beratungsansätzen des Geschäftsbereichs Vergütung sowie - nach der Einarbeitungszeit - in der Akquisition von Projekten„. Die Klägerin verpflichtete sich zur Aneignung und Pflege des hierfür erforderlichen Fachwissens sowie zur praktischen Verwertung der gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen in Kundengesprächen, Präsentation und bei der Erstellung gutachterlicher Stellungnahmen u.a. zum Nutzen des Gesamtunternehmens. Die Arbeitgeberin behielt sich vertraglich vor (§ 1 (4)) der Klägerin bei gleicher Vergütung auch andere zumutbare Tätigkeiten zu übertragen, die ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen entsprechen, wenn dies aus geschäftlichen Gründen erforderlich sei. Änderungen und Ergänzungen zu diesem Vertrag (§ 9 (1)) seien nur verbindlich und rechtswirksam, wenn sie schriftlich niedergelegt wurden.
Die Arbeitgeberin meldete die Klägerin zur Sozialversicherung mit dem Tätigkeitsschlüssel “Unternehmensberater, Organisator„ an.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit war die Klägerin noch Mitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Am 24.04.2002 wurde die Klägerin in die Rechtsanwaltsliste des Amtsgerichts und des Landgerichts B-Stadt eingetragen und somit Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer FB.
Die Klägerin hielt ihre Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung aufrecht, die vom 05.04.2002 bis zum 31.08.2005 in Form der freiwilligen Mitgliedschaft fortgeführt wurde. Die Beigeladene befreite die Klägerin mit Wirkung ab 01.04.2002 von der Pflichtmitgliedschaft in ihrer Organisation im Hinblick auf die freiwillige Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Erst mit Beendigung dieser Mitgliedschaft teilte die Beigeladene der Klägerin mit, aufgrund der Beendigung ihrer Mitgliedschaft im Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung werde sie nun ab dem 01.09.2005 bei ihr Mitglied.
Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2004 von der BfA darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung im Falle der Klägerin nicht mehr vorlägen. Die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sei aufgrund ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin erfolgt. Die seit dem 01.12.2001 ausgeübte Tätigkeit als juristische Beraterin bei ihrer jetzigen Arbeitgeberin stelle nach der Aktenlage keine berufsständische Beschäftigung einer Rechtsanwältin dar. Da die Befreiung tätigkeitsbezogen sei, wurde die Beklagte um Prüfung und Entscheidung gebeten.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH sei keine berufständische Beschäftigung einer Rechtsanwältin. Dieser Auffassung sei auch die BfA. Da es sich auch nicht um eine ...