Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Arzneimittelversorgung im Rahmen einer stationär erbrachten Behandlungsmethode iSd § 137c SGB 5. Maßgeblichkeit der Grundsätze für den Off-Label-Use

 

Orientierungssatz

Der vom BSG entwickelte Grundsatz, dass der Schutz gesetzlich Versicherter durch das materielle Arzneimittelrecht vor dem Krankenhaus nicht Halt macht (vgl BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 1/16 R = BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 26), ist auch dann zu beachten, wenn die Arzneimittelversorgung im Rahmen einer stationär erbrachten Behandlungsmethode iSd § 137c SGB 5 stattfindet. Arzneimittel dürfen auch in der Krankenhausbehandlung nur zulassungskonform und zulassungsüberschreitend bei Vorliegen der Voraussetzungen des Off-Label-Use angewendet werden, wobei es unerheblich ist, ob die Arzneimittelversorgung als (reine) Pharmakotherapie oder als (Teil einer) Behandlungsmethode iSd §§ 135, 137c SGB 5 stattfindet.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2.950,- € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes.

Die Klägerin ist Trägerin des A. Hospitals in A-Stadt. Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. (Versicherte) befand dort sich in der Zeit vom 26. April 2012 bis zum 15. Mai 2012 zur vollstationären Behandlung aufgrund progredienter Beschwerden der unteren Lendenwirbelsäule mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine. Die Versicherte war bereits zuvor in Folge einer Fraktur im Jahr 2009 mit einem Wirbelkörperersatz versorgt worden. Aufgrund einer festgestellten Schraubenlockerung im Wirbelkörper L5 erfolgte am 30. April 2012 die operative Versorgung der Versicherten, wobei dieser das Medikament Dibotermin alfa verabreicht worden ist.

Am 27. Juni 2012 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung insgesamt Kosten in Höhe von 21.318,72 € in Rechnung. Dabei wurde von ihr neben der Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) 106C das Zusatzentgeltes (ZE) 2011-63zugrunde gelegt. Die Fallpauschale basierte u.a. auf der Kodierung der Hauptdiagnose (ICD-19) M42.14 und des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS 6-003.40).

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 21. Mai 2013 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die Kodierung des OPS sachgerecht erfolgt sei. Beanstandet wurde hingegen der Ansatz des Zusatzentgelts für die Verabreichung von Dibotermin alfa. Es handele sich um einen Off-Label-Use, weil der in der Fachinformation dafür zugelassene LT-Cage nicht eingebracht worden sei.

Am 17. Oktober 2012 hat die Beklagte den Differenzbetrag in Höhe von 2.950,00 € mit anderen Forderungen der Klägerin verrechnet. Auf die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände wurde von der Beklagten nochmals der MDK mit einer Stellungnahme beauftragt, welcher mit Gutachten vom 4. März 2014 seine Auffassung bestätigte.

Mit Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden vom 21. November 2016 hat die Klägerin die Zahlung des streitigen Betrages gerichtlich geltend gemacht.

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Abrechnung des ZE 2011-63 gemäß der Anl. 6 zum Fallpauschalenkatalog 2011 i.H.v. 2.950,00 € rechtmäßig erfolgt sei. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Off-Label-Use bei Arzneimitteln zur ambulanten Versorgung von Versicherten stünde der Anwendung von Arzneimitteln bei der stationären Behandlung im Krankenhaus nicht entgegen.

Die Beklagte ist dem mit der Auffassung entgegengetreten, dass eine Verwendung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung grundsätzlich nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.

Das Sozialgericht Wiesbaden hat die Beklagte mit Urteil vom 30. August 2017 verurteilt, an die Klägerin 2.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz hieraus seit dem 17. Oktober 2012 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vorliegend allein streitige Kodierung des OPS 6-003.40 sowie des ZE 2011-63 sei zu Recht erfolgt. Die Applikation von Dibotermin alfa sei im Rahmen der ansonsten unstreitig erforderlichen vollstationären Behandlung notwendig gewesen. Tatbestandliche Voraussetzung für die Abrechnung des Zusatzentgeltes ZE 2011-63 im Krankenhaus sei die Notwendigkeit der Applikation von Dibotermin alfa (OPS 6-003.40) i. S. d. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V und nicht die arzneimittelrechtliche Zulassung des Wirkstoffs. § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V erlaube insoweit die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus, bevor der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sich mit der Thematik beschäftigt habe. Der Widerstreit zwischen einer Behandlung ...

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