Entscheidungsstichwort (Thema)
angebliche Spionage als militärähnlicher Dienst
Leitsatz (amtlich)
Ein ehemaliger jugoslawischer Offizier, der angeblich vorzeitig aus deutscher Kriegsgefangenschaft entlassen worden ist, um als Spion für Deutschland in dem damals deutsch besetzten Belgrad tätig zu werden, hat nur dann militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet, wenn er nachweisbar von einem deutschen militärischen Befehlshaber eingesetzt worden ist.
Normenkette
BVG §§ 7, 3 Abs. 1 Buchst. b, § 38
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.07.1972) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 1972 wird zurückgewiesen.
2. Die Klage gegen den Bescheid vom 25. Januar 1979 wird abgewiesen.
3. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die jugoslawische Staatsangehörige ist, hält sich seit 1971 im Bundesgebiet auf. Sie beantragte am 26. Mai 1971 Witwenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach ihrem 1904 geborenen Ehemann P. M. (P.M.). Er ist nach einer Bescheinigung des Kriegs/Militärgerichts Belgrad am 5. Januar 1945 zum Tode durch Erschiessen wegen Spionage nach § 14 der Verordnung über Kriegs/Militärgerichte verurteilt, bestätigt am 10. Januar 1945 durch das Oberste Kriegs/Militärgericht und am 15. Januar 1945 dem Vollstreckungsorgan übergeben.
Die Klägerin gab zu ihrem Antrag an, ihr Ehemann, ein Jugoslawe serbischer Nationalität, sei als Leutnant der jugoslawischen Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, 3 1/2 Jahre lang in einem Kriegsgefangenenlager bei O. gewesen und 1944 als noch die deutsche Wehrmacht Belgrad besetzt gehalten habe, sie glaube im November, mit anderen Offizieren aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause entlassen worden. Nach der Heimkehr habe er im Geschäft seiner Eltern gearbeitet. 1945 sei er verhaftet, wegen Spionage für dem Abwehrdienst der deutschen Wehrmacht zum Tode verurteilt und erschossen worden. Er habe sich ihr gegenüber über Aufgaben für die Wehrmacht nicht geäussert. Die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft als Gegner des Kommunismus und die Erschiessung wegen Agententätigkeit für die Wehrmacht habe sie durch die jugoslawische Presse erfahren.
Mit Bescheid vom 9. Juli 1971 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da die Verurteilung wegen Spionage nicht bewiesen sei.
Die Agententätigkeit für eine deutsche Dienststelle könne grundsätzlich nicht als militärähnlicher Dienst im Sinne des BVG angesehen werden.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1971).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main hat sie vorgetragen, ihr Ehemann habe, wie sie nach der Verurteilung von ehemaligen Kriegskameraden erfahren habe, in der Gefangenschaft mit den Deutschen zusammengearbeitet und besondere Vergünstigungen genossen; er sei vier bis fünf Monate vor der Befreiung Belgrads nach Hause gekommen.
Mit Urteil vom 4. Juli 1972 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Es liesse sich nicht nachweisen, dass ihr Ehemann Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation geleistet habe. Es habe gleichfalls nicht der Nachweis geführt werden können, dass er für die deutsche Abwehr gearbeitet habe.
Gegen das an die Klägerin mittels eingeschriebenen Briefes am 18. August 1972 abgesendete Urteil ist ihre Berufung am 7. September 1972 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, das mit Urteil vom 16. Januar 1974 die Berufung zurückgewiesen hat, da die Voraussetzungen für eine Versorgung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. den §§ 38, 1 und 3 Abs. 1 Buchst. 1 BVG nicht erwiesen seien. Spionage auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht gelte als militärähnlicher Dienst, wenn sie unentgeltlich und freiwillig und nicht in einem Zivildienst aufgrund einer Dienstverpflichtung oder eines Arbeitsvertrages bei der Wehrmacht ausgeübt worden sei. Für eine solche Spionagetätigkeit seien keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich. Der Begriff „Spionage” habe nach 1945, besonders in den Ostblockländern, alle gegen ein Land gerichteten Handlungen umfasst, auch eine Zusammenarbeit mit den Deutschen gegen den Kommunismus in Jugoslawien und auf eigener Initiative beruhende Aktionen.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23. April 1975 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 1974 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Revision sei begründet. Die Klägerin habe einen Verfahrensmangel erfolgreich gerügt. Das Berufungsgericht habe seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 103 SGG), verletzt. Der Versorgungsanspruch der Klägerin sei von einer Sc...