Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System. Ansatz der Nebendiagnose D62 (akute Blutungsanämie) nach Durchführung einer Revisionsoperation zur Behandlung einer akuten Nachblutung. Kodierung. Therapeutische oder diagnostische Maßnahmen
Orientierungssatz
Zur Frage der Zulässigkeit einer Kodierung der Nebendiagnose D62 (akute Blutungsanämie) nach den für das Jahr 2008 geltenden Deutschen Kodierrichtlinien (juris: KFPVbg 2008) nach Durchführung einer Revisionsoperation zur Behandlung einer akuten Nachblutung.
Normenkette
SGB V § 39 Abs. 1, § 109 Abs. 4 S. 3; KHG § 17b Abs. 1 S. 1; KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. September 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütungsforderung wegen einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten Versicherte D., geboren 1924 (im Folgenden: Versicherter), wurde vom 12. bis 24. November 2008 in der von der Klägerin betriebenen AX. Klinik, einem nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zugelassenen Krankenhaus, stationär wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit links mittels Gefäßoperation behandelt. Der Versicherte war bis zur Krankenhausbehandlung mit Marcumar zur Antikoagulation behandelt worden. Nach der Krankenhausaufnahme war die Marcumarverabreichung ausgesetzt worden. Am 5. November 2008 hatte die Klinik in Vorbereitung auf die Leistenarterienoperation eine Bestimmung der Blutgruppe des Versicherten vorgenommen und diesen im Rahmen der Patientenaufklärung auf die Möglichkeit einer Nachblutung sowie die ggf. notwendige Gabe von Fremdblut hingewiesen. Am 13. November 2008 wurde im Leistenbereich des Versicherten eine langstreckige Thrombendarteriektomie und Dacron-Patch-Erweiterungsplastik unter Bildung eines sogenannten Common ostiums bei Abgangsstenose der A. profunda femoris links durchgeführt. Intraoperativ wurden 3000 I.E. Heparin vor Durchführung der Längsarteriotomie zur Blutgerinnungshemmung verabreicht.
Postoperativ kam es zu einer Nachblutung mit einem Hämoglobinabfall, so dass am Operationstag eine Hämatomausräumung mit Umstechung einer venösen Blutung im Bereich der linken Leiste durchgeführt wurde. Im Hinblick auf den möglichen Blutverlust und die eventuelle Notwendigkeit der Durchführung einer Fremdblutransfusion wurden für beide Eingriffe vorsorglich zwei Blutkonserven bereitgestellt und eine sog. “Blutkreuzung„ veranlasst. Dabei wird eine Blutprobe des Patienten mit einer Blutprobe des vorgesehenen Spenderbluts vermischt, um zu testen, ob es zu Verklumpungen in den gemischten Proben kommt. Den Blutkonserven ist ein Pilotröhrchen mit dem Spenderblut beigefügt, dessen Inhalt für den Blutkreuzungstest eingesetzt wird. Dadurch muss die eigentliche Blutkonserve nicht angetastet werden und kann im Falle der Nichtdurchführung einer Bluttransfusion für andere Patienten weiterverwendet werden.
Intraoperativ erfolgte im Rahmen der Revisionsoperation die Gabe von 1000 I.E. Protamin, einem Mittel zur schnellen Aufhebung der Heparinwirkung und damit zur Blutstillung (Antagonisierung von unfraktioniertem Heparin). Weiter wurden während des Revisionseingriffes 1000 ml NaCl (Natriumchlorid) zum Volumenausgleich bei Blutverlust intravenös verabreicht. Bei dem ersten Eingriff war eine Substitution mit 3000 ml NaCl erfolgt. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Narkoseprotokoll geht zum ersten operativen Eingriff hervor, dass der Versicherte an die Station mit der Anweisung, Sauerstoffgabe über 4 Stunden, übergeben worden war. Eine Bluttransfusion fand weder bei dem Erst- noch bei dem Revisionseingriff statt. Der postoperative Verlauf nach dem zweiten Eingriff wird in den Krankenblattunterlagen, abgesehen von der Entwicklung einer Lymphzyste im Bereich der linken Leiste, als komplikationslos geschildert. Am 24. November 2008 wurde der Versicherte in die Anschlussheilbehandlung verlegt.
Mit Rechnung vom 24. November 2008 stellte die Klägerin der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von 5.612,34 € in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Kodierung der Hauptdiagnose I70.21 li (periphere arterielle Verschlußkrankheit -PAVK- , Stadium IIb) nach der DRG F59A (Komplexe Gefäßeingriffe ohne komplizierende Prozeduren, ohne Revision, ohne komplexe Diagnose, Alter größer 2 Jahre, mit äußerst schweren CC oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit äußerst schweren CC oder Rotationsthrombektomie). Da nach Auffassung der Beklagten nur die DRG F54Z (komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierende Prozeduren, ohne Revision, ohne komplexe Diagnose, Alter größer 2 Jahre oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit komplizieren...