Leitsatz
Die in einer Anwaltskanzlei angestellte, in diese hierarchisch eingegliederte Rechtsanwältin, die ihr gesamtes Einkommen (hier: 2440 EUR monatlich) vom Inhaber der Kanzlei bezieht, kann, sofern sie nicht Arbeitnehmerin ist, wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit und sozialer Schutzbedürftigkeit eine arbeitnehmerähnliche Person i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sein.
Sachverhalt
Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist gegeben, wenn die Person auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft und auf die Einkünfte aus ihrer Dienstleistung als Existenzgrundlage angewiesen ist. Eine vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit liegt vor, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Für die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person ist unbedeutend, ob der jeweilige Vertrag eine Bezeichnung als "freier Mitarbeiter" vorsieht.
Dass die Klägerin, deren gesamtes Einkommen vom Beklagten stammt, daneben die rechtliche Möglichkeit hatte, eigene Mandanten zu betreuen, hinderte ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom Beklagten nicht. Denn diese Möglichkeit bot ihr gerade auf dem von zahlreichen Anwälten besetzten Arbeitsmarkt in und um K. keine realistische Chance, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch im Hinblick auf die Höhe ihrer Einkünfte und die Notwendigkeit, ihre Dienste für den Beklagten persönlich zu erbringen, war sie einem Arbeitnehmer ähnlich schutzbedürftig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sie von ihrem Verdienst – im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer – die gesamte Vorsorge selbst bestreiten musste.
Für die arbeitnehmerähnliche Sozialtypik spricht ferner die hierarchische Einordnung der Klägerin. Unstreitig hat der Beklagte nicht nur Schriftsätze der Klägerin korrigiert, sondern selbst vorgetragen, dass die Klägerin einem "geregelten Arbeitsablauf, der eine bestimmte Reihenfolge für die Erstellung der Schriftsätze vorsah, unterworfen" gewesen sei und er selbst als Kanzleiinhaber und nach außen hin allein verantwortlicher Rechtsanwalt berechtigt sei, für alle die Richtlinien der Büroorganisation vorzugeben.
Link zur Entscheidung
LAG Köln, Beschluss v. 6.5.2005, 4 Ta 40/05. – Zur Anwalts-GmbH vgl. Gruppe 17 S. 179ff.