Leitsatz
Die Parteien des Verfahrens hatten am 08.11.1985 geheiratet und waren zu diesem Zeitpunkt beide italienische Staatsangehörige. Unstreitig lebten sie seit Februar 2002 getrennt. Die Ehefrau erwarb im März 2004 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Im August 2005 beantragte sie Prozesskostenhilfe für den von ihr beim FamG eingereichten Antrag, mit dem sie unter Anwendung deutschen Rechts die Scheidung der Ehe, hilfsweise gem. Art. 150 des italienischen Zivilgesetzbuchs die Feststellung begehrte, dass die Parteien von Tisch und Bett getrennt leben. Der Ehemann hatte angekündigt, dem Scheidungsantrag zuzustimmen. Auch er hielt die Anwendbarkeit deutschen Rechts für angezeigt. Hilfsweise kündigte auch er den Antrag an, festzustellen, dass die Parteien von Tisch und Bett getrennt leben.
Das FamG gewährte lediglich Prozesskostenhilfe für den Hilfsantrag auf Trennung von Tisch und Bett. Dies mit der Begründung, trotz der zwischenzeitlich erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit der Ehefrau sei bei Anwendbarkeit des italienischen Rechts Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB nicht einschlägig. Zunächst sei daher die Trennung von Tisch und Bett auszusprechen.
Hiergegen legte die Ehefrau Beschwerde ein, der das FamG nicht abgeholfen hat.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das vom OLG als sofortige Beschwerde behandelte Rechtsmittel der Ehefrau führte zu der von ihr erstrebten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den angekündigten Ehescheidungsantrag.
Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO habe, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhänge. Die Prüfung der Erfolgsaussicht dürfe nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahren der Prozesskostenhilfe biete den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschützten Rechtsschutz nicht selbst, sondern wolle ihn erst zugänglich machen (BVerfG v. 4.2.2004 - 1 BvR 596/03, FamRZ 2004, 1013; BGH v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633, mit Hinweis auf BVerfG v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 [357 ff.]; v. 14.7.1993 - 1 BvR 1523/92, NJW 1994, 241 [242]; v. 7.4.2000 - 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936 [1937]; BGH v. 31.7.2003 - III ZB 7/03, NJW-RR 2003, 1438; v. 12.9.2002 - III ZB 43/02, BGHReport 2002, 1052 = MDR 2002, 1388 = NJW 2002, 3554; v. 9.9.1997 - IX ZB 92/97, NJW 1998, 82, MDR 2001, 1007; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 21; Thomas/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 114, Rz. 5; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 114 ZPO Rz. 111; Rahm/Künkel/Engels, Handbuch des FamGverfahrens, 4. Aufl., II, Rz. 122; Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 411, 412). Die hier zu entscheidende Rechtsfrage, ob nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB für die Scheidung gegebenenfalls deutsches Recht Anwendung findet, wenn ein Ehegatte, der im Zeitpunkt der Eheschließung noch die ausländische Staatsangehörigkeit hatte, nachträglich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat oder ob in diesem Fall nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB i.V.m. Art. 14 EGBGB das ausländische Recht als Ehewirkungsstatut auch für das Scheidungsverfahren gilt, sei hinsichtlich der Beurteilung der Modalitäten des insoweit maßgeblichen ausländischen Scheidungsrechts in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten.
Überwiegend werde hierzu die Auffassung vertreten, dass eine regelwidrige Anwendung deutschen Rechts nicht erst dann in Betracht kommt, wenn die Ehe anderenfalls überhaupt nicht bzw. nicht in absehbarer Zeit geschieden werden könnte, sondern es für die Anwendbarkeit deutschen Scheidungsrechts ausreicht, dass eine Scheidung nach Maßgabe des ausländischen Rechts wenigstens derzeit nicht möglich ist.
Demgegenüber vertreten namentlich das OLG Hamm und der 14. Zivilsenat des OLG Köln die Auffassung, für eine (regelwidrige) Anwendung von Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB sei kein Raum, wenn durch das als Ehewirkungsstatut zur Anwendung berufene ausländische Scheidungsrecht die Ehescheidung nicht generell ausgeschlossen, sondern allenfalls im Vergleich zum deutschen Scheidungsrecht erschwert werde.
Da die Rechtsverfolgung der Ehefrau, welche in erster Linie unter Anwendung deutschen Rechts geschieden werden will, von der Beantwortung dieser bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, kann ihr die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht wegen erfolgender Erfolgsaussicht ihres Begehrens vorenthalten werden.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 01.03.2006, 9 WF 39/06