Leitsatz
Alkohol, im Übermaß genossen, hat schnell versicherungsrechtliche Konsequenzen. Fast immer ist der Versicherungsschutz, privater wie gesetzlicher, stark gefährdet, denn die Solidargemeinschaft soll für Ausschweifungen einzelner nicht aufkommen. Trotzdem musste die gesetzliche Unfallversicherung Rente für die die Hinterbliebenen des Opfers eines Verkehrsunfalls zahlen, den der Versicherte mit knapp einem Promill Alkohol im Blut verursachte und nicht überlebte.
Sachverhalt
Bei Unfällen auf dem Weg zur Arbeitsstätte oder auf dem Heimweg steht die gesetzliche Unfallversicherung für entstandene Schäden ein. Ist Alkohol im Spiel, wird die Sache kompliziert. Anders als man angesichts der gesetzlichen Regelungen zum Thema Alkohol am Steuer erwarten könnte, sind die Promille im Blut noch nicht das K.o.-Kriterium für das Einspringen der Unfallversicherung. Es müssen immer auch die sonstigen Umstände berücksichtigt werden, die zu einem Unfall geführt haben können, z.B. eine Übermüdung des Arbeitnehmers. Nach der Rechtsprechung des BSG ist entscheidend, ob eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorlag.
Die gibt es in zwei Varianten: die absolute und die relative Fahruntüchtigkeit:
- Wer mindestens 1,1 Promille Alkohol im Blut hat, bei dem geht die Rechtsprechung davon aus, dass ohne weitere Beweisanzeichen vermutet werden kann, dass die Folgen des Alkohols für die Unfallverursachung von überragender Bedeutung waren. Die Unfallversicherung ist dann außen vor (BSG, Urteil v. 25.11.1992, 2 RU 40/91, BSG, Urteil v. 30.01.2007, B 2 U 23/05 R).
- Bei weniger als 1,1 Promille kann eine relative Fahruntüchtigkeit vorliegen. Hier kommt es jetzt darauf an, ob der Alkoholgenuss von überragender Bedeutung für den Eintritt des Unfalls war.
Gerade die relative Fahruntüchtigkeit ist häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen. Der Versicherungsträger, also die gesetzliche Unfallversicherung, muss beweisen, dass die Alkoholisierung (mit-)ursächlich für die Verkehrsuntüchtigkeit war. Der Versicherte oder die Hinterbliebenen müssen beweisen, dass es andere, betriebsbezogene Gründe für den Unfall gab.
Im Urteilsfall war ein Arbeitnehmer nach einem 13,5-stündigen Arbeitstag auf einer Baustelle auf dem Heimweg mit seinem Auto in einer Kurve von der feuchtnassen Straße abgekommen und am Unfallort verstorben. Eine Blutentnahme zeigte einen 0,93 Promille. Die gesetzliche Unfallversicherung wollte an die Hinterbliebenen keine Entschädigung leisten. Zwar habe grundsätzlich Versicherungsschutz bestanden, weil der Unfall sich unmittelbar auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte nach Hause geschehen sei. Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 SGB VII u.a. auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Der Unfall sei aber ausschließlich auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zurückzuführen, meinte die Versicherung.
Dieser Argumentation folgte das Bayerischen LSG nicht. Dass der Unfall ursächlich auf die Alkoholisierung zurückzuführen war, sahen sie nicht als erwiesen an. Die betriebsbedingten Umstände aber, also die extrem lange Arbeitszeit von 13,5 Stunden, waren dagegen unstrittig. Das Gericht ging deshalb von der ernsthaften Möglichkeit aus, dass eine betriebsbedingte Ermüdung der Grund für den Unfall war. Der Verkehrsunfall steht damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Link zur Entscheidung
Bayerisches LSG, Urteil v. 14.12.2011, L 2 U 566/10.