BGB § 241 Abs. 2 § 311 Abs. 2
Leitsatz
Ein Gutachter, der dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls die Erstellung eines Gutachtens zu einem Honorar anbietet, das deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegt, muss diesen über das Risiko aufklären, dass die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung das Honorar nicht in vollem Umfang erstattet.
BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 95/16
Sachverhalt
Der klagende Kfz-Haftpflichtversicherer macht gegen den beklagten Kfz-Sachverständigen aus abgetretenem Recht die Rückzahlung eines angeblich überhöhten Gutachter-Honorars geltend. Der Gutachter verfolgt widerklagend die Verurteilung der Kl. zur Zahlung des nach seiner Ansicht offenstehenden Resthonorars von 3,09 EUR. Der Bekl. wurde nach einem von dem VN der Kl. verschuldeten Verkehrsunfall von dem Geschädigten mit der Begutachtung des Schadens an dessen Kfz beauftragt. Der Geschädigte unterzeichnete bei der Beauftragung eine Honorarvereinarung, nach der ein anhand der Schadenssumme zu berechnendes Grundhonorar sowie die Zahlung von Pauschalbeträgen für bestimmte Nebenkosten vorgesehen waren. Weiterhin trat er einen "auf den Reparaturaufwand bzw. auf Wiedererschaffungsaufwand gerichteten Schadensersatzanspruch" aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Honorarforderung sicherungshalber an den Bekl. ab. In seinem Gutachten wies der Beklagte Reparaturkosten von 2.294,44 EUR aus. In seiner Rechnung setzte er ein Grundhonorar von 680 EUR und Nebenkosten von 197,40 EUR an. Einschließlich der zusätzlich geforderten Mehrwertsteuer ergab sich ein Bruttobetrag von 1.044,11 EUR.
Die Kl. zahlte auf das Honorar einen Teilbetrag von 848 EUR und lehnte eine weitere Regulierung ab. Der Geschädigte zahlte daraufhin den noch offenen Betrag in Höhe von 196,11 EUR an den Bekl. und begehrte in einem gegen die Kl. geführten Rechtsstreit dessen Erstattung. Das Gericht gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung oder der Zahlung die deutliche Überhöhung des Honorars habe erkennen können, er habe auch keine Markterforschung betreiben müssen, um einen möglichst preisgünstigen Gutachter zu finden. Die Kl. zahlte den tenorierten Betrag an den Geschädigten und ließ sich von diesem mit Vereinbarung vom 9.7.2014 sämtliche Ansprüche gegen den Bekl. im Zusammenhang mit der Honorarrechnung vom 8.6.2011 abtreten. Sie macht geltend, das Honorar des Bekl. übersteige in Höhe eines Betrags von 392,72 EUR das übliche Honorar für eine vergleichbare Leistung.
Das AG hat der Klage in voller Höhe stattgegeben. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.
2 Aus den Gründen:
[11] … II. 1. Ein Anspruch der Kl. auf Rückzahlung eines Teils des Honorars aus abgetretenem Recht des Geschädigten kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.
[12] a) Das Berufungsgericht ist allerdings ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass kein Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB besteht, da der zwischen dem Geschädigten und dem Bekl. geschlossene Werkvertrag nicht nichtig und die Zahlung von der getroffenen Honorarvereinbarung gedeckt ist.
[13] aa) Der Vertrag ist nicht wegen Wuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Die Vorschrift setzt neben einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (objektives Tatbestandsmerkmal) die Ausnutzung einer – auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden – besonderen Schwächesituation beim Bewucherten durch den Wucherer voraus (subjektives Tatbestandsmerkmal). Eine Ausbeutungsabsicht des Wucherers ist hierfür nicht erforderlich, wohl aber ist es notwendig, dess dieser Kenntnis von dem auffälligen Missverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (vgl. BGH vom 25.2.2011 – VZR 208/09 – NJW-RR 2011, 880 Tz 9 f. m.w.N.) Diese Voraussetzungen sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bekl. bei Abschluss des Vertrags das Vorliegen einer besonderen Schwächesituation des Geschädigten aufgrund einer der in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umstände vorsätzlich ausgenutzt hat. Dies wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.
[14] bb) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch eine Nichtigkeit des Vertrags wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB verneint.
[15] (1) Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insb. der Fall; wenn eine verwerfliche Gesinnung des ...