Leitsatz (amtlich):
Ein Steuerberater ist verpflichtet, bei Beendigung des Mandats auf die Gefahr des Ablaufs der Frist für eine Antragstellung hinzuweisen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Mandant - unabhängig vom Umfang des Mandats - aufgrund von dessen früherem Verhalten darauf vertraut, dass er (der Berater) den Antrag von sich aus stellen werde.
Zum Tatbestand:
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, kaufte durch notariellen Vertrag vom 30.11.1989 / 22.1.1990 von ihrem Gesellschafter ein Grundstück für 20 Mio. DM. Die GrESt setzte das Finanzamt auf Einspruch der Beklagten, einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft, auf 386 870 DM fest. Da die Klägerin die ihr vertraglich auferlegte Verpflichtung, in Höhe eines Kaufpreisteils von 16 Mio. DM die Befreiung des Verkäufers von der persönlichen Haftung für die dinglichen Belastungen des Grundstücks zu erwirken, nicht erfüllen konnte, wurde die Eigentumsübertragung rückgängig gemacht. Die Beklagte übersandte dem Gesellschafter am 18.9.1992 den Entwurf eines an das Finanzamt gerichteten, von ihr zu unterzeichnenden Schreibens, mit dem die Aufhebung der GrESt-Festsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG beantragt werden sollte. Die Unterzeichnung und Absendung des Schreibens unterblieb. Mit Schreiben vom 1.9.1993 legte die Beklagte das Mandat nieder.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe pflichtwidrig versäumt, durch rechtzeitige Antragstellung bis zum Ablauf der maßgeblichen Frist am 31.12.1994 dafür zu sorgen, dass ihr nach Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrages die gezahlte GrESt erstattet wurde. Das LG hat die auf Zahlung von 386 670 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen; das OLG hat ihr in Höhe von 96 667,50 DM nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klageabweisung bestätigt. Dieses Urteil haben die Klägerin und die Beklagte angegriffen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Klage in Höhe von 290002,50 DM nebst darauf entfallenden Zinsen abgewiesen worden ist.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme weder bewiesen, dass die Beklagte von der Klägerin ein umfassendes steuerliches Mandat, noch, dass sie "definitiv" einen Auftrag zur Einreichung eines Antrags auf Rückerstattung der GrESt erhalten habe. Die Beklagte habe gleichwohl "im Zusammenhang mit dem GrESt-Vorgang" seit 1992 mit der Klägerin "in vertraglichen Beziehungen" gestanden. Sie habe sich gutachtlich mit der Angelegenheit befasst, ein Schreiben an das Finanzamt entworfen und angekündigt, die Rückerstattung beantragen zu wollen. Selbst wenn sie hierzu aus ihrer Sicht im November 1992 einer endgültigen Auftragserteilung noch entgegengesehen habe, habe sie die naheliegende Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die Klägerin im Hinblick auf die soeben erwähnten Umstände auf eine umgehende Vollziehung der bereits vorbereiteten Antragstellung vertrauen könnte. Das habe für sie in Form einer rechtlichen Nebenverpflichtung die Notwendigkeit begründet, auf die unterbliebene Antragstellung hinzuweisen. Die Klägerin treffe jedoch an dem Verlust des Erstattungsanspruchs ein überwiegendes Mitverschulden. Sie habe bis zur Mandatsniederlegung durch die Beklagte nicht "definitiv" gewusst, ob der Antrag tatsächlich beim Finanzamt eingereicht worden sei, und hätte deshalb nachfragen müssen. Die Untätigkeit der Klägerin bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist Ende 1994 sei ein schwerer Verstoß gegen ihre eigenen Obliegenheiten und habe zur Folge, dass sie den ihr entstandenen Schaden zu 3/4 selbst tragen müsse.
II.
Das Berufungsurteil kann mit dieser Begründung, soweit es um die Frage des Mitverschuldens geht, nicht bestehen bleiben.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin der Beklagten zwar nicht "definitiv" den Auftrag erteilt, den von dieser schon vorbereiteten Antrag beim Finanzamt einzureichen. Es bestanden danach aber in der GrESt-Angelegenheit von 1992 bis zur Mandatsbeendigung "vertragliche Beziehungen" zwischen den Parteien. Daraus ergab sich, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte umfassend mit der Bearbeitung der steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin beauftragt war, für die Beklagte die Verpflichtung, die Klägerin über Möglichkeit und Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung der bereits gezahlten GrESt zu unterrichten. Tatsächlich hat sie das insoweit getan, als sie ein Antragsschreiben an das Finanzamt entwarf und den Entwurf der Klägerin zu Händen des Streithelfers zur Prüfung übersandte. Ein entsprechendes Schreiben konnte so, wie es konzipiert war, ohne ihr, der Beklagten, weiteres Tätigwerden nicht an das Finanzamt abgesandt werden, denn es sah ihre Unterschrift vor. Solange ihr diese nicht abverlangt wurde, konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Antrag beim Finanzamt gestellt war. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, die Beklagte habe damit rechnen müssen, dass...