Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 5 Abs. 4 WEG, § 10 Abs. 1 S. 2 WEG, § 25 WEG, § 242 BGB
Kommentar
1. Die vom teilenden Alleineigentümer getroffene Vereinbarungsregelung in der Gemeinschaftsordnung einer aus drei Wohnungen bestehenden Anlage/Gemeinschaft, dass für das Stimmrecht (in zulässiger Abweichung zu § 25 Abs. 2 WEG - Kopfprinzip -)
"die unterschiedliche Größe der Miteigentumsanteile maßgebend ist, gegen seine Stimme aber ein Eigentümerbeschluss nicht gefasst werden kann, solange ihm auch nur eine Wohnung gehört",
kann in das Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums eingetragen werden, macht also das Grundbuch nicht unrichtig.
Als Prüfungsmaßstab für das Grundbuchamt kommen insbesondere bei zur Eintragung gestellten Vereinbarungen die §§ 134, 138 sowie 242 BGB in Betracht (h.R.M.). Das Grundbuchamt darf eine Eintragung allerdings nur dann ablehnen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde; bloße Zweifel genügen nicht (vgl. u.a. Demharter, GBO, 21. Aufl., Anhang zu § 13 Rn. 29). Sofern die Prüfung, wie insbesondere eine solche anhand des § 242 BGB, eine wertende Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände erfordert, ist das Grundbuchamt dazu wegen der Beweismittelbeschränkung im Eintragungsverfahren in der Regel nicht in der Lage; dann bleibt eine Überprüfung im Einzelfall allein dem Wohnungseigentumsgericht im Verfahren nach § 43 WEG vorbehalten. Dieser sich aus den Besonderheiten des grundbuchrechtlichen Verfahrens ergebende Umstand wird, insbesondere in der wohnungseigentumsrechtlichen Literatur, nicht immer ausreichend berücksichtigt. Die frühere Entscheidung des Senats vom 23. 9. 1988 (BayObLGZ 1988, 287) mit dortiger Überprüfung einer Stimmrechtsregelung anhand des § 242 BGB (Kriterium zu starker "Aushöhlung" eines Stimmrechts) betraf i.Ü. ein wohnungseigentumsrechtliches und kein Grundbuchverfahren.
2. § 25 Abs. 2 WEG ist abdingbar; die Rechtsprechung musste allein Lösungen entwickeln, mit denen Fällen einer missbräuchlichen Stimmrechtsausübung zu begegnen sei. Im vorliegenden Fall besaß das Stimmrecht der übrigen Eigentümer allerdings durchaus Bedeutung; um einen Mehrheitsbeschluss herbeizuführen, bedurfte der beteiligte Alleineigentümer nämlich der Stimmen anderer Wohnungseigentümer. Auch steht bei der vorgesehenen Stimmrechtsregelung der "Abstimmungsmodus" von vornherein fest; lediglich das Ergebnis einer Abstimmung lässt sich nicht vorhersehen. Dies gilt grundsätzlich für jede Abstimmung. Sofern eine von einem Eigentümer für erforderlich gehaltene Verwaltungsmaßnahme am Widerspruch des genannten Alleineigentümers scheitern sollte und eine einvernehmliche Regelung nicht herbeigeführt werden könnte, steht es dem betreffenden Eigentümer frei, das Wohnungseigentumsgericht anzurufen; dessen Entscheidung tritt dann an die Stelle der durch Eigentümerbeschluss zu fassenden Entscheidung der Wohnungseigentümer.
3. Somit mussten der Beschluss des LG und die Zwischenverfügung des AG - Grundbuchamt - aufgehoben werden.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 02.04.1997, 2Z BR 36/97= BayObLGZ Nr. 22)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Dennoch sollte eine solche "Vetorechts-Vereinbarung" auch in kleiner Gemeinschaft zugunsten eines teilenden Bauträgers nicht Schule machen, da hier vernünftige Beschlussfassungen kraft Mehrheitsentscheidung erheblich erschwert werden könnten und wohnungseigentumsgerichtliche Streitverfahren geradezu provoziert werden dürften. Trotz Eintragungsfähigkeit solcher Vereinbarungen im Grundbuch ohne Grundbuchunrichtigkeitsfolge sind sie sicher auch kein Anreiz für den Ersterwerb in einer solchen Anlage.
Dieses Verfahren zeigt auch, wie wichtig es für Ersterwerber ist, sich vor Erwerb einer Neubauwohnung vom Bauträger die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung genau anzusehen, um vor "späteren Überraschungseffekten" verschont zu bleiben.
In wohnungseigentumsgerichtlichen Streitverfahren könnte ich mir i.Ü. durchaus vorstellen, dass ein Wohnungseigentumsrichter bei Streiterheblichkeit einer solchen Vereinbarung im Rahmen seiner u.U. auch incidenter vorzunehmenden Gültigkeitsprüfung auch hinsichtlich getroffener Vereinbarungen in der Teilungserklärung nach Treu und Glauben eine solche Vereinbarungsregelung zumindest ganz erheblich in Frage stellt bzw. sogar für ungültig erachtet (im Rahmen der bisherigen Entscheidungen über zu weitgehende "Stimmrechtsaushöhlungsregelungen").