Leitsatz

Nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen haben auch vor Schriftformklauseln Vorrang in Formularverträgen (AGB) über langfristige Geschäftsraummietverhältnisse.

 

Sachverhalt

Im Urteilsfall vermietete der Kläger an den Mieter langfristig seine Geschäftsräume per Formularvertrag mit der Klausel: "Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Vertrags gelten nur bei schriftlicher Vereinbarung". Der Mieter berief sich im Laufe des Vertrags auf eine entsprechende nachträgliche mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien und zahlte nur eine reduzierte Miete. Der Vermieter verklagte ihn auf die Mietrückstände und berief sich auf die Unwirksamkeit der mündlichen Absprache. Der BGH stellte für diesen Fall, in dem es sich bei der verwendeten Klausel um AGB nach den §§ 307 ff BGB handelte, zunächst klar, dass es nicht auf die Wirksamkeit der Klausel an sich ankomme, denn auch für den Fall, dass sie wirksam vereinbart worden wäre, sind die Parteien nicht gehindert, nach Abschluss des Mietvertrags die Klausel zu ändern. Vereinbaren die Parteien nach dem Abschluss eines Formularvertrags eine Änderung mittels Individualabrede, hat diese Änderung Vorrang vor kollidierenden AGB. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der AGB beabsichtigt haben oder von der Kollision mit den AGB gewusst haben. Den Vorrang haben Individualabreden auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen beruhen, auch, wenn durch die AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind.

Dies beruht auf der Überlegung, dass der in § 4 AGBG (a.F.) niedergelegte Grundsatz, dass vertragliche Regelungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, auf keinen Fall durch abweichende AGB durchkreuzt, ausgehöhlt oder zunichte gemacht werden dürfen. AGB sind generelle vorformulierte Richtlinien für eine Vielzahl von Verträgen, die von vorneherein auf eine Individuelle Ergänzung ausgelegt sind. Dies gilt auch, wenn man grundsätzlich das Interesse des Verwenders oder auch beider Vertragsparteien der AGB anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen und die Klausel als wirksam ansieht. Dieses Interesse muss gegenüber dem von den Parteien später Gewollten zurücktreten.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 21.9.2005, XII ZR 312/02.

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