Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, was der Nachbarschaft eines Industrie- oder Gewerbebetriebs an Immissionen zugemutet werden kann, u.a. anhand der Grenzwerte der TA Lärm und der TA Luft zu beantworten.
Diesen sog. technischen Regelwerken ist zu entnehmen, wann eine Umwelteinwirkung "erheblich" im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder "wesentlich" im Sinn des § 906 BGB ist und vom Nachbarn abgewehrt werden kann.
In § 906 Abs. 1 BGB wird das mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: "Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben".
Der BGH formuliert für die TA Lärm die einfache Regel: Die Einhaltung der einschlägigen Richtwerte der TA Lärm nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB indiziert die Unwesentlichkeit einer Lärmbeeinträchtigung, während die Überschreitung der Richtwerte die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung indiziert.
Die Immissionswerte der TA Lärm und der TA Luft gelten unmittelbar nur für genehmigungsbedürftige Anlagen. Nach ständiger Rechtsprechung sind sie aber auch bei immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen entsprechend zu berücksichtigen.
3.1 Wissenswertes zum Lärm
Die Wirkung des Lärms auf den Menschen verdeutlicht die folgende Übersicht:
Schmerzschwelle |
130 dB(A) |
Düsenflugzeug, 100 m entfernt |
Kritische Grenze für Gehörschäden bei Dauerbelastung |
120 dB(A) |
Kettensäge, Presslufthammer |
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110 dB(A) |
Motorsäge, Diskomusik |
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100 dB(A) |
Kreissäge, U-Bahn |
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90 dB(A) |
Lastkraftwagen bei 50 km/h |
Beginn der Beeinträchtigung |
80 dB(A) |
starker Autoverkehr |
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70 dB(A) |
Staubsauger, Motorrad |
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60 dB(A) |
Rasenmäher, 10 m entfernt |
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50 dB(A) |
normale Unterhaltung, Vogelgezwitscher |
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40 dB(A) |
ruhiges Wohngebiet |
Hörschwelle |
30 dB(A) |
Flüstern, Kühlschrank |
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20 dB(A) |
Ticken einer Uhr, sanftes Blätterrauschen |
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10 dB(A) |
Schneefall |
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0 dB(A) |
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Eine Zunahme von 10 dB(A) wird subjektiv als Verdoppelung des Lärms empfunden. Das heißt, dass 40 dB(A) doppelt so laut empfunden werden wie 30 dB(A).
Störungsfreier Schlaf ist ab einem Innenraumpegel von 35 dB(A) nicht mehr möglich.
3.2 TA Lärm
Zum Schutz der Nachbarschaft sind in der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) folgende umgebungsbezogene Immissionsrichtwerte festgelegt:
a) Industriegebiete |
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70 dB(A) |
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b) Gewerbegebiete |
tags nachts |
65 dB(A) 50 dB(A) |
c) in urbanen Gebieten |
tags nachts |
63 dB(A) 45 dB(A) |
d) Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete |
tags nachts |
60 dB(A) 45 dB(A) |
e) Allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete |
tags nachts |
55 dB(A) 40 dB(A) |
f) Reine Wohngebiete |
tags nachts |
50 dB(A) 35 dB(A) |
g) Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten |
tags nachts |
45 dB(A) 35 dB(A) |
Die Zuordnung der Richtwerte hängt immer vom Einwirkungsbereich (also der betroffenen Nachbarschaft) und davon ab, wie dessen Schutzwürdigkeit zu qualifizieren ist. Gemessen wird der Lärm in einer Entfernung von 0,5 m vor dem geöffneten Fenster des dem Lärm ausgesetzten Wohnraums.
Die Immissionsrichtwerte für Aufenthaltsräume von Wohnungen, die baulich mit der störenden Anlage verbunden sind, sind gebietsunabhängig. Sie betragen für die Tageszeit 40 dB(A) und für die Nachtzeit 30 dB(A). Mit dieser Regelung soll der notwendige Schallschutz von Wohnungen bei der Geräuschübertragung innerhalb von Gebäuden sichergestellt werden.
Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22 bis 6 Uhr; sie kann um eine Stunde hinausgeschoben oder vorverlegt werden, wenn dies wegen der besonderen örtlichen oder betrieblichen Verhältnisse erforderlich ist.
Bei Überschreiten der Richtwerte auf Ihrem Grundstück oder an Ihrer Wohnung können Sie Lärmschutzmaßnahmen verlangen.
3.3 TA Luft
Die Immissionswerte der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) markieren nach der Rechtsprechung die Grenze zwischen den schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftschadstoffe. Die TA Luft wurde in ihrer aktuellen Fassung, die am 1.12.2021 in Kraft getreten ist, an den aktuellen Stand der Technik angepasst.
Im einzelnen werden in der TA Luft Immissionswerte festgelegt, die im Einwirkungsbereich der davon betroffenen industriellen und gewerblichen Anlagen nicht überschritten werden dürfen. Bei Überschreiten der Grenz- und Richtwerte können im allgemeinen Schutzmaßnahmen gefordert werden.
3.4 Die Bedeutung der baugebietsmäßigen Situation
Bei der TA Luft dürfen die festgelegten Immissionswerte im gesamten Einwirkungsbereich nicht überschritten werden. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt einen einheitlichen Nachbarschutz im Einwirkungsbereich industrieller und gewerblicher Betriebe.
Demgegenüber gewährleistet die TA Lärm einen differenzierten Nachbarsc...