4.1.1 Genehmigungspflichtige Anlagen
Industrie- und Gewerbeanlagen mit einem erhöhten Umweltgefährdungspotenzial sind nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (§ 4 BImSchG) genehmigungspflichtig. Welche Anlagen das sind, ist in der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen, der 4. BImSchV, abschließend geregelt.
Zudem sind Anlagen, die der Industrieemissionsrichtlinie (2010/75/EU) unterliegen, besonders umweltrelevant.
Beispielsweise handelt es sich um
- Chemiewerke, Düngemittelfabriken, Erdölraffinerien,
- Glasfabriken, Müllverbrennungsanlagen, Papierfabriken,
- Pflanzenschutzmittelfabriken, Schiffswerften, Zementwerke oder
- Ziegeleien.
Der Kreis der nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtigen Anlagen beschränkt sich aber nicht auf die industriellen und gewerblichen Anlagen im eigentlichen Sinn. Der Genehmigungspflicht unterworfen sind vielmehr auch agrarindustrielle Anlagen, also die sog. Massentierhaltung von Geflügel, Schweinen usw.
4.1.2 Was muss von der Behörde im Hinblick auf die Nachbarschaft berücksichtigt werden?
Da nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sichergestellt sein muss, dass durch die Errichtung und den Betrieb der zu genehmigenden Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, ist die Entscheidung über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen in die Zukunft gerichtet.
Kernstück der Entscheidung ist dabei die Immissionsprognose. Diese läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass eine aus festgestellter Vorbelastung (dem sog. Ist-Zustand) und zu erwartender Zusatzbelastung (als Folge der zu genehmigenden Anlage) addierte Gesamtbelastung mit den Immissionswerten der technischen Regelwerke verglichen wird. Hierbei sind (im Wege der Subtraktion) auch immissionsverbessernde Umstände zu berücksichtigen.
Insgesamt ist somit die Immissionsprognose ein wesentliches Entscheidungskriterium dafür, ob die Nachbarschaft durch die Errichtung der zu genehmigenden Anlage betroffen sein kann oder nicht.
4.1.3 Wie kann der Nachbar seine Rechte wahrnehmen?
Die Planung und der Bau einer neuen Industrie- und Gewerbeanlage stellt für den Investor ein erhebliches Kostenrisiko dar. Deshalb wird er im allgemeinen das sog. förmliche Genehmigungsverfahren wählen, um später gegenüber Nachbarklagen möglichst abgesichert zu sein und nicht im schlimmsten Fall seinen Betrieb einstellen zu müssen.
Der Preis für diese in § 14 BImSchG abgesicherte Rechtsposition ist die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in der örtlichen Tageszeitung der vorgesehenen Standortgemeinde (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG) und die Möglichkeit, gegen das Vorhaben in einer bestimmten Frist Einwendungen erheben zu können.
Mit dem Ablauf dieser Frist sind alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln (etwa Grunddienstbarkeit oder Vertrag) beruhen (sog. Präklusionswirkung). Die Einzelheiten sind in der Genehmigungsverfahrens-Verordnung, der 9. BImSchV, geregelt.
Die Einwendung muss schriftlich oder elektronisch entweder bei der Genehmigungsbehörde oder bei der Stelle erhoben werden, bei der die Antragsunterlagen zur Einsicht ausliegen. Aus dem Inhalt der Einwendung muss eine eigene Betroffenheit des Einwenders etwa in der Weise deutlich werden, dass im Gegensatz zur Immissionsprognose doch mit erheblichen zusätzlichen Umwelteinwirkungen für das eigene Anwesen zu rechnen ist. Werden dagegen nur Belange der Allgemeinheit vorgetragen (sog. Jedermann-Einrede), ist die Einwendung nicht rechtswirksam.
Nur eine frist- und formgerechte Einwendung, die eine eigene Betroffenheit erkennen lässt, eröffnet die Möglichkeit, gegen die geplante Anlage als Nachbar auch gerichtlich vorgehen zu können.