Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
KG Berlin widerspricht m. E. erneut dem BayObLG in Formfragen zum Abrechnungsbild
Normenkette
§ 28 WEG
Kommentar
(Unbeglichene Forderungen können in eine Jahresabrechnung aufgenommen werden!)
1. Die Aufnahme nicht beglichener Verbindlichkeiten aus einer Wirtschaftsperiode in einer Jahresabrechnung neben den tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Klarheit und Übersichtlichkeit der Abrechnung dadurch nicht leidet und der Eigentümerkreis im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung mit demjenigen identisch ist, der im Zeitpunkt der Eingehung der jeweiligen Verbindlichkeiten bestand (im Anschluss an Beschlussentscheidung des KG Berlin, Entscheidung vom 10. 2. 1986, Az.: 24 W 4051/85und vom 1. 7. 1991, NJW-RR 92, 84 = DWE 1992, 30).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in die Jahresabrechnung die tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben aufzunehmen sind. Damit werden jedoch lediglich die an eine Jahresabrechnung zu stellenden Mindestanforderungen bezeichnet; eine Abrechnung muss sich nicht auf diese Angaben beschränken. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, können damit in die Jahresabrechnung nach Maßgabe oben genannter Einschränkungen auch unbeglichene Verbindlichkeiten der Gemeinschaft aus derselben oder einer früheren Wirtschaftsperiode aufgenommen und durch den die Jahresabrechnung billigenden Eigentümerbeschluss auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Auch aus der Auffassung des BayObLG (mit dem Ziel, dem Verwalter die Abrechnungsverwaltungsaufgabe zu erleichtern) kann nicht der Schluss gezogen werden, nur eine solche Abrechnung, die ausschließlich die tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalte, sei als eine ordnungsgemäße anzusehen. Es kann wie hier Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung in Fällen zahlreicher Wohngeldsäumnisse gerade geboten sein, die Beitragspflicht der säumigen Eigentümer für das betreffende Wirtschaftsjahr endgültig festzulegen, um damit den Weg zu eröffnen, dass sich die Zahlungssäumnis einzelner Eigentümer nicht notwendig auf die Kontinuität der Verwaltung auswirken muss. Statt einer Wohngeldrückzahlung an pünktliche Zahler trotz des Fortbestehens offener Verbindlichkeiten der Gemeinschaft und damit des Fortbestehens der gesamtschuldnerischen Haftung aller nach außen hin wird auf diese Weise eine sofort fällige Sonderumlage in der zur Tilgung der schon fälligen Verbindlichkeit der Gemeinschaft erforderlichen Höhe beschlossen.
Ebenso wie der Verwalter bei der Bezahlung offener Verbindlichkeiten prüfen muss, ob die Gemeinschaft hierzu verpflichtet ist, kann er auch unbeglichene Verbindlichkeiten nur nach entsprechender Prüfung in die Jahresabrechnung einstellen. Im vorliegenden Fall hat der Verwalter mit seiner Abrechnung das Erfordernis der Klarheit und Übersichtlichkeit erfüllt und tatsächlich getätigte Ausgaben von den dieser Wirtschaftsperiode erwachsenen unbeglichenen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft durch eine entsprechende Aufteilung getrennt.
Im Übrigen kann eine Eigentümergemeinschaft geringe Fehler einer Abrechnung nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Senats hinnehmen, ohne damit gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung zu verstoßen (vgl. NJW-RR 1987, 1160 = WE 87, 195).
2. Gerichtskostenquotelung und keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertfestsetzung auf DM 25.000,- (5-fach-Wert des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Rechtsbeschwerdeführers sowie dem Interesse des Verwalters hinsichtlich zu Recht ausgesprochener Ungültigerklärung des Verwalterentlastungsbeschlusses).
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 30.11.1992, 24 W 6947/91= WM 93, 138)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Diese neue "liberale" Entscheidung des KG (Bestätigung des LG Berlin, Entscheidung v. 8. 11. 1991, Az.: 150 T 156/90) steht m. E. ganz erheblich in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BayObLG, das zumindest bisher zum Abrechnungsformbild und der Rahmenregelung des § 28 WEG nie nur von Mindestanforderungen ausgegangen ist. Die Rechtsunsicherheit in diesen Fragen korrekter Abrechnungsdarstellung ist derzeit sehr groß, sodass nunmehr bald einmal der BGH zur Grundsatzerklärung angerufen werden sollte.
Ich bleibe auch bei meiner Kritik an der Auffassung des KG, dass bei Einzelabrechnungssaldenausgleichen (plus wie minus) allein auf den Eigentümerkreis der entsprechenden abgerechneten Wirtschaftsperiode abzustellen sei; durch Nichtrückzahlung von abgerechneten und auszahlungsfälligen Einzelguthaben von einem (mittelbaren) Beschluss einer sofort fälligen Sonderumlage auszugehen, ist für mich unverständlich und eigentümerseits sicher auch nicht gewollt.
[Diese Meinung des KG entspricht sicher nicht heute h.R.M.!]