Leitsatz
Eine kurz vor der Eheschließung getroffene vertragliche Vereinbarung zwischen der zu diesem Zeitpunkt schwangeren späteren Ehefrau und ihrem späteren Ehemann verletzt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Rechte der Ehefrau aus Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG. Darüber hinaus verstößt eine solche Regelung gegen Art. 6 Abs. 2 GG.
Sachverhalt
Im Frühsommer 1976 stellte die damals 26jährige Beschwerdeführerin fest, dass sie schwanger war. Mit ihrem neuen Partner lebte sie bereits seit 2 Jahren zusammen. Aus erster Ehe hatte sie ein 5jähriges Kind zu versorgen. Nachdem sie ihren neuen Partner von der Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hatte, erinnerte dieser sie an seine bei Eingehung der Beziehung abgegebene Erklärung, Kinder nicht haben und eine Ehe nicht eingehen zu wollen.
Die Beschwerdeführerin drängte auf Eheschließung und ließ einen Ehevertragsentwurf ausar-beiten, den beide Parteien Anfang Juli 1976 unterzeichneten. In dieser Vereinbarung bekundeten die Parteien, spätestens im August 1976 - noch vor der Geburt des Kindes im November 1976 - heiraten zu wollen. Für den Fall der Scheidung verzichteten sie gegenseitig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf jeglichen nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not.
Der spätere Ehemann verpflichtete sich, ab Rechtskraft der Scheidung an das zu erwartende Kind monatlichen Unterhalt von DM 150,- zu zahlen. Von allen weitergehenden Unterhaltsansprüchen des Kindes wurde er von der Beschwerdeführerin freigestellt.
Die Ehe wurde im Juli 1976 geschlossen. Im November 1976 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach dem Ende des Mutterschutzes nahm die Beschwerdeführerin ihre frühere Tätigkeit als Bürokraft wieder auf erzielte deutlich niedrigeres Entgelt als der Beschwerdegegner.
Im Dezember 1989 wurde die Ehe der Parteien geschieden und das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn auf die Beschwerdeführerin übertragen.
Im Jahre 1990 nahm der Sohn seinen Vater im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Durch Teilurteil verurteilte das Amtsgericht den Vater zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte mit der Begründung, die Vereinbarung aus dem Jahre 1976 sei sittenwidrig. Daraufhin klagte der Vater gegen seine geschiedene Ehefrau auf Freistellung von einem über DM 150,- hinausgehenden Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen ihn. Das Amtsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der vereinbarte Freistellungsanspruch umgehe das gesetzliche Verbot eines Unterhaltsverzichts zwischen Verwandten.
Gegen dieses Urteil legte der geschiedene Ehemann Berufung ein. Das Oberlandesgericht verurteilte die geschiedene Ehefrau in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung antragsgemäß mit der Begründung, die ehevertragliche Vereinbarung sei wirksam. Die Berufung hierauf sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Ehemann habe die Heirat von einer solchen Vereinbarung abhängig machen können, da jedem die Eheschließung freistehe. Für eine Vereinbarung aus dem Zwang wirtschaftlicher Abhängigkeit der geschiedenen Ehefrau spreche angesichts ihrer Berufstätigkeit nichts. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Gegen die Entscheidung des OLG richtete sich die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin, die Verletzung ihrer Rechte auf Art. 6 Abs. 1, 2 und 4 sowie auf Art. 103 Abs. 1 rügte.
Entscheidung
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben und dies damit begründet, die angegriffene Entscheidung des OLG verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG. Darüber hinaus verstoße sie gegen Art. 6 Abs. 2 GG.
Die Vorentscheidung wurde aufgehoben und an das OLG zurückgewiesen. Das BVerfG monierte, das Vorgericht habe bei der Beurteilung des Unterhaltsverzichts Grundrechte verkannt. Nach Art. 6 Abs. 1 GG sei es Ehegatten zwar unbenommen, ihre Lebensgemeinschaft nach innen frei zu gestalten. Dabei sei jedoch ausweislich Art. 3 Abs. 2 GG nur eine Ehe geschützt, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stünden. Dies sei seit vielen Jahren tragender Bestandteil der verfassungsgerichtlichen Judikatur. Auch im Zeichen gleichberechtigter Partnerschaften sei die Freiheit, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort zu begrenzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sei, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegle. In Fällen gestörter Vertragsparität sei es Aufgabe der Gerichte, über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Aus dem Recht des Einzelnen, die Ehe mit einem selbst gewählten Partner einzugehen oder dies zu unterlassen folge nicht, dass sich der Staat der Kontrolle jedweder ehevertraglicher Vereinbarungen zu enthalten habe. Die Eh...