Leitsatz
- Ist eine im Einziehungsermächtigungsverfahren erfolgte Lastschrift unter Verwendung des unpfändbaren Schuldnervermögens eingelöst worden, fehlt dem (vorläufigen) Verwalter/Treuhänder in der Insolvenz des Schuldners – unabhängig davon, ob jenem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen worden ist – die Rechtsmacht, die Genehmigung zu versagen.
- Der (vorläufige) Verwalter/Treuhänder darf im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgten, vom Schuldner noch nicht genehmigten Lastschriften nicht pauschal die Genehmigung versagen, sondern muss im Einzelfall prüfen, wie weit seine Rechtsmacht reicht.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
InsO §§ 21 ff., 80; ZPO §§ 850c ff.
Kommentar
1 Der Fall
Zwischen einer Wohnungsgenossenschaft und einem Mieter besteht ein Dauernutzungsvertrag (Mietvertrag) über eine Wohnung. Der Mieter bezieht Wohngeld nach dem SGB II. Die monatliche Miete wird im Einzugsermächtigungsverfahren bezahlt. Demgemäß wurde die Miete für Oktober bis Dezember 2007 vom Konto des Mieters abgebucht. Am 19.12.2007 wurde über das Vermögen des Mieters das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und ein Treuhänder (Insolvenzverwalter) bestellt. Der Treuhänder hat der Belastung des Mietkontos widersprochen. Daraufhin wurden die Mieten für Oktober bis Dezember zurückgebucht. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Rückbuchung zu Recht erfolgt ist.
2 Genehmigung der Buchung durch Schuldner?
Hat der Mieter die Miete durch Einzugsermächtigung bezahlt und wird sodann über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, war in früherer Zeit streitig, ob der Insolvenzverwalter der Abbuchung der Miete widersprechen kann. Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (Insolvenzsenat) erlosch die Forderung des Gläubigers nicht mit deren Gutschrift, sondern erst mit der Genehmigung des Schuldners (sog. Genehmigungstheorie). Dies galt auch für den Fall der Schuldnerinsolvenz. Soweit der Schuldner die Buchung nicht vor Beantragung des Insolvenzverfahrens bereits genehmigt hatte, konnte der vorläufige Insolvenzverwalter der Buchung widersprechen (BGH, Urteil v. 4.11.2004, IX ZR 22/03, NJW 2005 S. 675; Urteil v. 25.10.2007, IX ZR 217/06, NJW 2008 S. 63). Demgegenüber vertrat der XI. Zivilsenat (Bankensenat) die Ansicht, dass die Erfüllung bereits mit der vorbehaltlosen Gutschrift auf dem Gläubigerkonto eintritt (sog. Erfüllungstheorie, BGH, Urteil v. 10.6.2008, XI ZR 283/07, NJW 2008 S. 3348).
3 Parteivereinbarung möglich
Seit dem 31.10.2009 ist das Lastschriftverfahren gesetzlich in den §§ 675c ff. BGB geregelt. Danach können die Banken und Sparkassen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine von der Genehmigungstheorie abweichende Parteivereinbarung vorsehen. Autorisiert der Mieter mit der dem Vermieter erteilten Einzugsermächtigung zugleich seine Bank, die Zahlung auszuführen, so ist die Belastungsbuchung auf seinem Konto von Anfang an wirksam.
4 Schonvermögen beachten
Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt zeitlich vor dem 31.10.2009. Nach der Rechtsprechung des IX. Senats gilt für die Wohnraummiete in diesen Fällen, dass der Insolvenzverwalter (Treuhänder) den Einzug nicht widerrufen darf, wenn der Mieter die Miete aus einem Einkommen oder Vermögen bezahlt hat, das dem Pfändungsschutz unterliegt (Schonvermögen). Zum Schonvermögen zählen das Wohngeld oder andere Sozialleistungen sowie der pfändungsfreie Betrag des Arbeitseinkommens. Ist das Arbeitseinkommen höher als der pfändungsfreie Betrag, muss der Verwalter dem Mieter Gelegenheit geben zu entscheiden, welche Lastschrift aus dem Schonvermögen bedient werden soll. Widerspricht der Verwalter zu Unrecht, so ist er gegenüber dem Mieter (§ 60 InsO) und gegenüber dem Vermieter (§ 826 BGB) zum Schadensersatz verpflichtet.
Treuhänderischer Personenkreis
Diese Grundsätze gelten für den Treuhänder, für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und für den endgültigen Insolvenzverwalter.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 20.7.2010, IX ZR 37/09, NJW 2010 S. 3517