Leitsatz

Pfändet das Finanzamt nach Stellung eines Konkursantrags wegen vorhandener Steuerrückstände ein Bankkonto des Steuerpflichtigen, so liegt eine anfechtbare inkongruente Deckung im Sinne von § 30 Nr. 2 KO vor.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt stellte gegenüber einem Unternehmen wegen fälliger Steuerschulden einen Konkursantrag, den es einen Monat später wieder zurücknahm, nachdem der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin geltend gemacht hatte, auf die erheblich höhere Forderung des Finanzamts einen Abschlag gezahlt zu haben. Am 6.9.1995 stellt das Finanzamt wegen Zahlungsunfähigkeit erneut Konkursantrag und machte weitere Steuerschulden geltend. Am 21.12.1995 ordnete das Konkursgericht die Sequestration des Vermögens an. Am 27.12.1995 wurde dem Konto der Gemeinschuldnerin bei der Hausbank des Unternehmens ein erheblicher Betrag gutgeschrieben. Kurz danach unterzeichnete der Geschäftsführer zugunsten der Finanzbehörde einen auf den 8.1.1996 vordatierten Scheck. Daraufhin nahm das Finanzamt am 4.1.1996 den Konkursantrag zurück. Der Scheck wurde von der Bank im Ergebnis nicht eingelöst. Am 22.1.1996 hob das Konkursgericht die Sequestration auf. Am selben Tag pfändete das Finanzamt wegen rückständiger Steuerforderungen das Konto der Gemeinschuldnerin. Der Geschäftsführer veranlasste die Bank, dem Finanzamt einen hohen Betrag aus dem Guthaben zu überweisen. Am 15.2.1996 wurde das Konkursverfahren auf den am 6.11.1995 gestellten Antrag eines Gläubigers hin eröffnet. Mit der Klage verlangt der Konkursverwalter die Rückzahlung der dem Finanzamt zugeflossenen Gelder.

 

Entscheidung

Die Klage des Konkursverwalters war erfolgreich. Das Finanzamt musste die erlangten Gelder in die Konkursmasse zurückzahlen. Gemäß § 30 Nr. 2 KO sind Rechtshandlungen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgen und dem Konkursgläubiger eine inkongruente, also ihm zu dieser Zeit nicht zustehende, Sicherung gewähren, anfechtbar. Anders ist der Fall nur dann zu beurteilen, wenn der Gläubiger beweisen kann, dass ihm zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag noch eine Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war. Bei einer durch Zwangsvollstreckung erlangten Deckung ist es nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten, nicht auf eine eventuelle Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners, sondern auf die Absicht dessen abzustellen, der die Masse verkürzt hat. Im Streitfall kames also auf die Absicht des beklagten Landes an, nicht auf die Einstellung des Geschäftsführers. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die subjektive Anfechtungsvoraussetzung einer Kenntnis von der Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners nur sehr selten nicht gegeben. Dies gilt z.B. in den Fällen, in denen ein Gläubiger eine inkongruente Deckung erlangt, wenn er der Überzeugungwar, das Vermögen des Gemeinschuldners reiche zur vollen Befriedigung aller seiner Gläubiger aus oder der Gemeinschuldner werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten. Entsprechende Feststellungen wurden im vorliegenden Fall nicht getroffen. Schon aus diesem Grund konnte die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Finanzamt nach der Lebenserfahrung davon ausgehen musste, dass die Gemeinschuldnerin als gewerbliches Unternehmen neben den Steuerschulden weitere Schulden bei anderen Gläubigern hatte. Die offenen Steuerforderungen waren – trotz erfolgter Teilzahlungen – kontinuierlich gestiegen, obwohl das Finanzamt mit Vollstreckungsmaßnahmen und zwei Konkursanträgen erheblichen Druck ausgeübt hatte. Deshalb konnte der Beklagte jedenfalls nicht sicher ausschließen, dass die Gemeinschuldnerin zur vollen Befriedigung ihrer sämtlichen Gläubiger nicht in der Lage war.

 

Praxishinweis

Seit dem 1.1.1999 hat die InsO die KO abgelöst. Die vom BGH entschiedene Rechtsfrage ist aber nach neuem Recht entsprechend zu lösen. § 131 InsO lässt die Anfechtung inkongruenter Deckungen sogar in einem Umfang zu, der über das alte Recht hinausgeht.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 26.09.2002, IX ZR 66/99

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