Sachverhalt
In dem Verfahren ging es um die Fragen der Unterscheidung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen und um den Leistungsort. Die Klägerin, ein schwedisches Unternehmen verlegt, repariert und wartet Glasfaserkabel. Im Streitfall sollte ein solches Kabel für Zwecke der Telekommunikation zwischen Schweden und einem anderen Mitgliedstaat auf dem Meeresboden verlegt werden. Die Verlegungsstrecke führte vom schwedischen Festland über die schwedischen Küstengewässer bzw. den schwedischen Festlandssockel teilweise über Drittlandsgebiet bis zum Gebiet des anderen Mitgliedstaates. Nach Verlegung ging das Eigentum an dem Kabel auf den Auftraggeber über. Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob die Verlegung bzw. Übergabe des Kabels eine Lieferung oder eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück darstellt. Weiter fragte das Gericht, ob in einem solchen Fall sich der Ort der Leistung auf die jeweiligen Gebiete (Abgangsmitgliedstaat, Drittland und Ankunftsmitgliedstaat) aufteilt bzw. ob die Verlegung des Kabels auf dem Drittlandsgebiet eine steuerbare Leistung ist.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass die Verlegung des Kabels eine einheitliche Leistung ist und die Lieferung eines Gegenstands darstellt. Hierzu hebt er auf seine frühere Rechtsprechung ab, dass bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, um zu bestimmen, ob mehrere getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung (vgl. EuGH, Urteile vom 2.5.1996, C-231/94 (Faaborg-Gelting Linien), vom 25.2.1999, C-349/96 (CPP) und vom 27.10.2005, C-41/04 (Levob Verzekeringen und OV Bank). Ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf nicht künstlich aufgespaltet werden; daher sind die charakteristischen Merkmale Umsatzes zu untersuchen, um festzustellen, ob mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbracht werden. Eine einheitliche Leistung liegt nur dann vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Unternehmers für den Leistungsempfänger so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Unter diesen Umständen sieht der EuGH in der "Lieferung" und Verlegung des Kabels einen einheitlichen Umsatz.
Bei der Prüfung, ob dieser Umsatz eine Lieferung oder eine Dienstleistung ist, stellt der EuGH auf die wesentlichen Bestandteile des Umsatzes ab, also auf die Frage nach Hauptleistung und etwaigen Nebenleistungen. Es sei danach zu fragen, was in Anbetracht der vielen Einzelleistungen, die bei der Verlegung des Kabels erforderlich sind, ausschlaggebend ist. Hier kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass nach den Umständen des Falles von einer sog. Montagelieferung iS von Artikel 5 Abs. 1 iVm Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 14 Abs. 1 iVm Artikel 33 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) auszugehen ist, weil der Leistungsempfänger in die Lage versetzt wird, wie ein Eigentümer über das Kabel zu verfügen und die Verlegung wie eine Installation bzw. Montage abgesehen werden kann. An den Ausführungen des EuGH ist neu, dass bei der Unterscheidung zwischen Lieferung und Dienstleistung zwar auch die Materialkosten einerseits und die Kosten für die Dienstleistungselemente andererseits einen objektiven Anhaltspunkt für die Abgrenzung darstellen können. Allerdings kommt den Kosten allein keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Da der EuGH im Ergebnis den Umsatz als Lieferung einstuft, musste er die Frage, ob ggf. eine grundstücksbezogene Dienstleistung vorliegt, nicht mehr beantworten.
Hinweis
Die Antwort zum Ort der Lieferung ist erstaunlich aber folgerichtig. Nach der Entscheidung wird das Kabel nacheinander an verschiedenen Orten (nämlich auf dem Gebiet des Abgangsmitgliedstaats, dem Drittlandsgebiet und dem Gebiet des Ankunftsmitgliedstaats) geliefert. Somit kann, und das ist eine neue Erkenntnis des Urteils, die Lieferung eines Gegenstands mehrere (verschiedene) Lieferorte besitzen, sodass die Steuerbemessungsgrundlage entsprechend aufzuteilen ist. Wäre der EuGH zum Ergebnis gekommen, dass eine grundstücksbezogene Dienstleistung darstellt, hätten sich ebenfalls diese verschiedenen Leistungsorte ergeben. Ergänzend stellt der EuGH fest, dass sich das Besteuerungsrecht der beteiligten Mitgliedstaaten anteilig auf die Länge des auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet befindlichen Kabels bezieht. Der EuGH geht also hier von einer Art Streckenprinzip vergleichbar mit dem bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungsleistungen aus.
Was den räumlichen Anwendungsbereich des Besteuerungsrechts anbelangt, urteilt der EuGH, dass die Lieferung des Kabels steuerbar ist, soweit die Verlegung auf dem nationalen Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erfolgt. Dazu gehören das Küstenmeer (ggf. bis zur Grenze von 12 Seemeilen), der Meeresboden und der Meeresuntergrund des Küstenmeers. Nicht der staatlichen Hoheitsge...