Leitsatz

Grundsätzlich muss das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Sind im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums gravierende bauliche Mängel vorhanden, die die zweckentsprechende Nutzung des Sondereigentums erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen (hier: 2 massive Durchfeuchtungen der Wände), ist eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich und einzelne Wohnungseigentümer können eine Reparatur verlangen; dies gilt auch dann, wenn das Sondereigentum im Souterrain eines Altbaus belegen ist.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4, Abs. 8

 

Das Problem

  1. Ein im Jahre 1890 errichtetes Gebäude wird im Jahre 1986 in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. In der Vorbemerkung zu der Teilungserklärung heißt es wie folgt:

    Auf dem vorgenannten Grundbesitz befindet sich ein Gebäude aus dem Jahre 1890, total renoviert, mit 12 Wohnungen und 3 Teileigentumseinheiten (…)

    Eigentümer der 3 Teileigentumsrechte ist K. Das Sondereigentum dieser Teileigentumsrechte befindet sich im Untergeschoss des Gebäudes. Die Räume werden in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung als "Laden" (Nr. 1) bzw. "Büro" (Nr. 2 und 3) bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur genutzt. Weil ihre Wände Durchfeuchtungen aufweisen, holt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Jahre 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 das Gutachten eines Architekten ein. Die Ursache für die Schäden liegt nach deren Ansicht in einer fehlenden außenseitigen Sockelabdichtung, einer fehlenden Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerten Salzen.

  2. Die Wohnungseigentümer führen anschließend ein gutachterlich vorgeschlagenes "Minimalprogramm" durch. Dieses bringt keinen Erfolg. Der daraufhin von K in der Versammlung vom 31.3.2015 zum Tagesordnungspunkt (TOP) 2a gestellte Antrag,

    Feuchtigkeitsschäden im Bereich des Souterrains auf der Grundlage der Empfehlungen aus den beiden Privatgutachten unter Beachtung allgemein anerkannter Regeln der Technik und des in der Teilungserklärung vorgesehenen Nutzungszwecks beseitigen zu lassen,

    wird mehrheitlich abgelehnt. Auch der weitere Antrag des K zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung

    durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden gemäß den Empfehlungen der beiden Privatgutachten erfolgen soll,

    findet keine Mehrheit. Stattdessen beschließen die Wohnungseigentümer, ein Gutachten zu Alternativen in Bezug auf die Herstellung einer "baualtersgemäßen Souterrainfläche" einzuholen. Dieses Gutachten soll u.a. auch klären, welche Souterrainabdichtung im Rahmen der Baualtersklasse geschuldet ist, und ob der Trocknungszustand der Baualtersklasse entspricht.

  3. Wohnungseigentümer K wendet sich gegen die genannten Beschlüsse mit der Anfechtungsklage. Zugleich beantragt er, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu 2a und 2b zuzustimmen; hilfsweise soll eine gerichtliche Beschlussersetzung erfolgen.
  4. Das Amtsgericht erklärt den zu TOP 2f gefassten Beschluss für ungültig und weist die Klage im Übrigen ab. Auf die Berufung des K erklärt das Landgericht auch die zu TOP 2a und 2b gefassten Beschlüsse für ungültig und verurteilt die Beklagten, beiden Beschlussanträgen zuzustimmen. Die auf TOP 2f bezogene Berufung der beklagten Wohnungseigentümer weist es hingegen zurück. Die Ablehnung des Beschlussantrags zu TOP 2a widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Denn die Wohnungseigentümer seien verpflichtet, den Feuchtigkeitsschäden entgegenzutreten. Eines weiteren Gutachtens bedürfe es für die Klärung nicht, weil die Ursachen bereits feststünden und sich der Sachverhalt seit Einholung der beiden Gutachten nicht verändert habe. Entgegen der Auffassung der beklagten Wohnungseigentümer gehörten die Durchfeuchtungen auch nicht zu dem planmäßigen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums. Ob die Abdichtung den bei Errichtung des Gebäudes im Jahr 1890 geltenden Regeln der Technik entspreche, komme es wegen der fast 100 Jahre später erfolgten Aufteilung nicht an. Maßgeblich sei vielmehr der "Sollzustand des Gebäudes nach der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung", in der das Gebäude als "total renoviert" bezeichnet worden sei. K habe daher einen Anspruch auf Beseitigung der Ursachen nach heutigen Baustandards und müsste sich nicht mit einem "Kaschieren" der gravierenden Durchfeuchtungen zufriedengeben. Die auf den Beschlussantrag zu TOP 2b bezogenen Klageanträge hätten ebenfalls Erfolg. Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens entspreche nur die beantragte Art der Reparatur ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Einwand der beklagten Wohnungseigentümer, sie hätten diese Frage zunächst durch ein weiteres Gutachten überprüfen dürfen, sei unberechtigt. Selbst wenn es insoweit auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommen sollte, hätte dem Antrag aus objektiver Sicht e...

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