Neben seinem eigentlichen Inhalt, nämlich der Beschreibung der geplanten Betriebsänderung, hat der Interessenausgleich in mehrfacher Hinsicht eine rechtliche Bedeutung.
4.1 Voraussetzung für die Durchführung der Betriebsänderung
Versucht der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat keinen Interessenausgleich oder führt er die geplante Betriebsänderung vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen durch, so ist die Folge, dass er den Arbeitnehmern, die durch diese Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile, insbesondere Entlassungen erleiden, nach § 113 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleich zahlen muss, der bei Entlassungen in der Zahlung von Abfindungen entsprechend § 10 KSchG besteht. Diese Abfindungszahlungen werden von den Arbeitsgerichten wegen der Sanktionswirkungen des § 113 Abs. 3 BetrVG tendenziell hoch angesetzt. § 113 Abs. 3 BetrVG verlangt, dass der Arbeitgeber, will er die Zahlung des Nachteilsausgleichs vermeiden, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat "versucht" haben muss. Darunter versteht das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber bis hin zu einer Verhandlung vor der Einigungsstelle alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft hat. Erst dann, wenn die Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen feststellt, hat der Arbeitgeber den Interessenausgleich mit dem Betriebsrat i. S. v. § 113 Abs. 3 BetrVG versucht. Der Versuch eines Interessenausgleichs i. S. v. § 113 Abs. 3 BetrVG i. V. m. § 113 Abs. 1 BetrVG setzt aber nicht voraus, dass die Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen förmlich durch Beschluss feststellt.
Ob der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber einen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch bezüglich der Durchführung der Betriebsänderung hat, solange die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, ist streitig. Die meisten Landesarbeitsgerichte nehmen einen solchen Unterlassungsanspruch an und erlassen entsprechende einstweilige Verfügungen.
4.2 Interessenausgleich mit Namensliste
Enthält der Interessenausgleich bei geplanten Entlassungen eine Liste, in der die zu entlassenden Arbeitnehmer namentlich benannt sind, hat dies Folgen für einen eventuellen Kündigungsschutzprozess. Nach § 1 Abs. 5 KSchG führt das dazu, dass zum einen vermutet wird, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG wird insgesamt bezüglich aller Stufen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft. Letzteres bedeutet, dass das Arbeitsgericht die Sozialauswahl nur dann beanstanden darf, wenn der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer offensichtlich falsch gebildet worden ist oder die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer offensichtlich zu Unrecht erfolgt ist oder die Gewichtung der Auswahlkriterien unvertretbar ist. Ist die Namensliste nur in einer Anlage enthalten, muss der Interessenausgleich auf sie verweisen und sie muss mit dem Interessenausgleich fest verbunden sein. Die Namensliste ersetzt nicht die Anhörung des Betriebsrats zu den dann noch auszusprechenden Kündigungen. Sie bewirkt lediglich eine erhebliche Erleichterung für den Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess mit dem einzelnen Arbeitnehmer durch die Beweislastumkehr hinsichtlich des Kündigungsgrundes und der Überprüfung der Sozialauswahl auf grobe Fehler.
Da der Interessenausgleich insgesamt nicht erzwingbar ist, kommt auch eine derartige Namensliste nur mit freiwilliger Zustimmung des Betriebsrats zustande, der sich diese Bereitschaft oftmals durch die Erfüllung seiner Erwartungen an die Geldmittel, die für einen Sozialplan zur Verfügung stehen, honorieren lässt.
Arbeitgeber und Betriebsrat können bestehende Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später, z. B. bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste, ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt dieses Interessenausgleichs gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste.
4.3 Verbindlichkeit des Interessenausgleichs
Der Arbeitgeber hat sich an die Vereinbarungen im Interessenausgleich zu halten. Weicht er davon ohne zwingenden Grund ab, haben die Arbeitnehmer, die dadurch benachteiligt werden, ebenfalls nach § 113 Abs. 1 und 2 BetrVG Anspruch auf einen Nachteilsausgleich.
4.4 Anhörung des Betriebsrats zu Kündigungen
Ohne Bedeutung ist der Interessenausgleich hingegen für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zu den ggf. auszusprechenden Kündigungen. Der Interessenausgleich ersetzt die Anhörung nicht; die Anhörung und auch die Stellungnahme des Betriebsrats kann aber miteinander verbunden werden; das muss dann aber zum einen hinreichend deutlich gemacht werden und zum anderen müssen die (hohen) Anforderungen an die Anhörung der Betriebsrats nach § 102 BetrVG eingehalten werden. Ebenso wenig ersetzt der Interessenausgleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG bei anzeigepflichtigen Massenentlassungen (Ausnahme § 125 Abs. 3 InsO). Aber auch hier können ...