Leitsatz
Die nicht miteinander verheirateten Parteien waren für ihr im Dezember 1999 geborenes Kind gemeinsam sorgeberechtigt. Beide Eltern und das Kind hatten die polnische Staatsangehörigkeit.
Im Sommer 2008 heiratete die Mutter einen polnischen Staatsangehörigen, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebte. Um Besuche der Mutter mit dem Kind in Deutschland zu ermöglichen, ersetzte das zuständige polnische Gericht mit Beschluss vom 27.6.2008 die Zustimmung des Vaters für die Ausstellung eines Reisepasses des Kindes. In dem Beschluss wurde festgehalten, dass die Mutter sich dessen bewusst sei, dass die Genehmigung für die Ausstellung des Passes nicht die Genehmigung für eine Ausreise erfasse und ihr im Übrigen auch die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Kindesentführung nach dem HKÜ bekannt seien.
Nach Erlass dieses Beschlusses machte der Antragsteller am 21.7.2008 beim zuständigen Gericht in Polen ein Sorgerechtsverfahren anhängig, die Antragsgegnerin stellte einen Gegenantrag. Dieses Verfahren war zum Zeitpunkt der deutschen Entscheidung noch nicht abgeschlossen.
Ca. ein Jahr später - im Juni 2009 - fuhr die Mutter zusammen mit dem Kind zum Besuch ihres Ehemannes nach Nürnberg. Der Vater des Kindes leitete im Juli 2009 ein Verfahren nach dem HKÜ ein, nachdem er mehrmals vergeblich versucht hatte, das Kind für einen Ferienumgang abzuholen und Mutter und Kind nicht angetroffen hatte. Nachdem der Vater das Kind endlich gefunden und es für einen Ferienaufenthalt für zwei Wochen mit nach Polen genommen hatte, teilte die Mutter ihm bei der Rückgabe des Kindes in Deutschland am 8.9.2009 mit, sie wolle mit dem Kind in Deutschland bleiben.
Daraufhin ließ der Vater über das Bundesamt für Justiz einen Antrag auf Herausgabe des Kindes zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Polen beim AG stellen. Das AG hat die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückführung des Kindes binnen einer Frist von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung angeordnet, da der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt sein Einverständnis mit dem Verbleib des Kindes in Deutschland erteilt habe. Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 S. 1 lit. a HKÜ lägen nicht vor.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Ihr Rechtsmittel hatte dahingehend Erfolg, dass ihr die in der angefochtenen Entscheidung zur freiwilligen Rückführung eingeräumte Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft bis Ende März 2010 verlängert wurde. Im Übrigen blieb der Beschwerde der Erfolg versagt.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG bestätigte im Beschwerdeverfahren die Rückführungsentscheidung und änderte die erstinstanzliche Entscheidung lediglich hinsichtlich der Frist zur Rückführung des Kindes.
Im Übrigen wies es erneut darauf hin, dass an die Voraussetzungen der tatsächlichen Ausübung des Sorgerechts i.S.d. Art. 3 HKÜ keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien. Nach Art. 3 HKÜ sollten nur solche Sorgerechtsverhältnisse ausgeschlossen werden, bei denen die gesetzlichen und vereinbarten Rechte und Pflichten überhaupt nicht, auch nicht hin und wieder oder in Ansätzen auch im Umfang eines Umgangsrechts wahrgenommen würden. Der von dem Antragsteller gepflegte Umgang mit seinem Sohn genüge, um eine Verletzung seines Mitsorgerechts zu bejahen.
Im Übrigen bestätigte das OLG die bisherige Rechtsprechung, dass für das Vorliegen der Zustimmung wie auch der nachträglichen Genehmigung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 S. 1 lit. a HKÜ die Antragsgegnerin die volle Darlegungs- und Beweislast trage. Es genüge nicht, eine Zustimmung oder Genehmigung zu einem auf eine bestimmte Zeit beschränkten Aufenthaltswechsel. Vielmehr sei erforderlich, dass sie die Zustimmung oder Genehmigung auf einen dauerhaften Aufenthaltswechsel beziehe.
Ferner wies das OLG ausdrücklich darauf hin, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 S. 1 lit. b HKÜ, nachdem keine Verpflichtung zur Anordnung der Rückgabe bestehe, wenn die Rückgabe mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen und seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre oder das Kind auf andere Art und Weise in eine unzumutbare Lage gebracht würde, eine Vorschrift sei, die dem Hauptziel des HKÜ entgegenwirke. Es sei daher eine enge Auslegung geboten, es dürfe keine Sorgerechtsentscheidung vorweggenommen werden.
Es könnten nur ungewöhnliche und schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls einer Rückführung entgegenstehen. Im vorliegenden Fall sei die Belastung des Kindes durch die gesamte Situation keine außergewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigung. Es sei bereits 10 Jahre alt, spreche die polnische Sprache und käme auch nicht durch die Trennung von der Mutter und Rückführung nach Polen in eine unzumutbare Lage.
Link zur Entscheidung
OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.02.2010, 7 UF 20/10