Leitsatz
Hintergrund
Ein österreichisches Unternehmen hatte eine Speditionsfirma mit Sitz in Deutschland mit der Durchführung eines Gütertransports von Belgien in die Ukraine beauftragt. Die von der Auftraggeberin verwendeten Geschäftsbedingungen nahmen auf die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) Bezug, welche die Anwendung österreichischen Rechts vorsahen. Im Gegensatz hierzu verwies der Spediteur in seinen Geschäftsbedingungen auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts kraft der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp). Der Spediteur führte die Fahrt durch und stellte seine Leistung in Rechnung. Als die Auftraggeberin nur einen Teil des Rechnungsbetrages ausglich, erhob er in Deutschland Klage auf Zahlung der Restsumme vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig ab, da es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehle: Da zwischen den Parteien keine Einigung auf die Geltung der Allgemeinen Spediteurbedingungen eines der beiden Länder getroffen worden sei, seien deutsche Gerichte unabhängig von der Frage, ob ein Anspruch auf Zahlung der Restsumme bestehe oder nicht, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig.
Die Entscheidung des OLG
Das OLG Brandenburg hob die Entscheidung der 1. Instanz auf und befand die deutschen Gerichte für zuständig. Seiner Entscheidung legte das Oberlandesgericht die Annahme zugrunde, dass der geschlossene Beförderungsvertrag den Regelungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) unterfällt. Seit seiner Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland 1961 beinhaltet das CMR Sonderregelungen für jede grenzüberschreitende entgeltliche Beförderung von Gütern, wenn die Orte der Übernahme und der Ablieferung in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Belgien, als Ort der Abholung, ist ein Vertragstaat. Durch die Inbezugnahme von einerseits AÖSp und andererseits ADSp sei jedoch von der nach Art. 31 CMR zulässigen Möglichkeit der vertraglichen Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte Gebrauch gemacht worden: Dem übereinstimmenden Inhalt beider Regelungswerke zufolge seien Rechtsstreitigkeiten am Ort der Niederlassung des Spediteurs, damit vor deutschen Gerichten auszutragen.
Aus der wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung folge indes nicht, dass automatisch auch deutsches Recht auf den Sachverhalt zur Anwendung komme, da insoweit keine Übereinstimmung zwischen AÖSp und ADSp bestehe. Die Frage nach dem anwendbaren Recht sei vielmehr losgelöst von der internationalen Zuständigkeit anhand der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts zu prüfen. Diese gesonderte Prüfung führe zur Anwendbarkeit deutschen Rechts, da die engste Verbindung des Vertragsverhältnisses zu Deutschland bestehe, dem Sitz des Spediteurs als Erbringer der Hauptleistung.
Hinweis
Einander widersprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen führen in der Praxis häufig zu Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Vertragsverhältnissen. Nach deutschem Recht finden nur die einander nicht widersprechenden Regelungen Anwendung. Soweit sich Regelungen widersprechen, gilt das Gesetz. Nach anderen Rechtsordnungen kann jedoch anderes gelten, z.B. findet im angloamerikanischen Rechtskreis die "Theorie des letzten Schusses" Anwendung, d.h. es gelten die zuletzt in Bezug genommenen AGB. In jedem Fall entstehen Unklarheiten, die das Streitpotential erhöhen.
Bei grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen kommt Folgendes hinzu: Gerichtsstand und anwendbares Recht können rechtssicher nur schriftlich vereinbart werden (Art. 23 Abs. 1 lit. a) EuGVVO; Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ). Der Verweis auf die eigenen AGB, die eine entsprechende Gerichtsstands- und Rechtswahlklausel beinhalten, reicht dafür nicht aus. Schnell kommt es dann zum Streit über die internationale Zuständigkeit der Gerichte und das anwendbare Recht, was schlimmstenfalls zu einem Auseinanderfallen von Gerichtsstand und anwendbarem Recht führt. Eine Rechtsverfolgung kann sich durch derartige Streitigkeiten über "Formalien" erheblich verzögern und verteuern.
Vermieden werden derartige Unklarheiten im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr nur durch eine klare und vollständige individualvertragliche Regelung zwischen den Beteiligten, die Regelungen über den Gerichtsstand und das anwendbare Recht beinhaltet. Bei langfristigen Vertragsbeziehungen sollten diese Regelungen in einer von beiden Seiten unterzeichneten Rahmenvereinbarung zusammengefasst werden, in der auch eine eindeutige Regelung über die (Nicht-) Geltung der jeweiligen AGB getroffen werden sollte.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 25.03.2009, 7 U 152/08