Rz. 32
Das Verwandtenerbrecht basiert im irischen Recht auf dem Parentelsystem, bei entfernteren Verwandten auf dem Gradualsystem. Maßgeblich ist die Situation zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers.
Rz. 33
In erster Linie erben im irischen Erbrecht die Abkömmlinge des Erblassers. Ist kein überlebender Ehegatte (vgl. Rdn 41 ff.) oder eingetragener Lebenspartner vorhanden (vgl. Rdn 49) vorhanden, erhalten die Kinder den gesamten Nachlass. Sie schließen alle anderen Verwandten aus. Die Teilung unter Abkömmlingen gleichen Verwandtschaftsgrades, wie z.B. den Kindern, erfolgt nach Köpfen (per capita). Sofern noch einer der Abkömmlinge oder Geschwister vorhanden ist, erfolgt hinsichtlich des gleichrangigen, aber vorverstorbenen Abkömmlings (bzw. Geschwisterteils) eine Teilung per stirpes. Dies bedeutet, dass vorverstorbene Kinder bzw. Abkömmlinge jeweils durch ihre Kinder/Abkömmlinge repräsentiert werden. Die Erbfolge erfolgt im Wesentlichen nach Stämmen. Stehen jedoch alle Abkömmlinge im gleichen Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser, erfolgt die Verteilung nach Köpfen.
Rz. 34
Der Begriff der Abkömmlinge (issue) wird in Sec. 3 ISA definiert. Bei Todesfällen ab dem 14.6.1988 werden eheliche und nichteheliche Kinder grundsätzlich gleichbehandelt. Allerdings sieht Sec. 4A (2) ISA beim Tod nichtehelicher Kinder weiterhin vor, dass diese bis zum Beweis des Gegenteils so beerbt werden, als sei ihr Vater vorverstorben. Hiervon ausgeschlossen sind jedoch Samenspender im Sinne von Sec. 5 des Children and Family Relationships Act 2015. Diese gelten nicht als Eltern des Kindes. Adoptierte Kinder gelten als Kinder der Adoptiveltern, nicht dagegen als Kinder ihrer leiblichen Eltern. Adoptierte Personen sind solche, die in Irland auf der Grundlage des Adoption Acts 1952–2010 adoptiert worden sind oder deren Adoption in Irland anerkannt worden ist. Stiefkinder und Kinder, die der Erblasser wie seine Kinder behandelt hat (in loco parentis), sind keine Abkömmlinge i.S.d. ISA und daher nicht erbberechtigt.
Rz. 35
In zweiter Linie – wenn keine Abkömmlinge (und kein überlebender Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner) vorhanden sind – sind die Eltern begünstigt. Sie erben je zur Hälfte (Sec. 68 ISA). Lebt nur ein Elternteil, erhält dieser den ganzen Nachlass. Bei nichtehelichen und außerehelichen Kindern ist der Vater zwar erbberechtigt, wird aber nach Sec. 4A (2) ISA bis zum Beweis des Gegenteils so behandelt, als sei er vorverstorben. Bei Adoptivkindern erben die Adoptiveltern als seien sie die leiblichen Eltern des Kindes. Dagegen haben die leiblichen Eltern ab Wirksamkeit des Adoptionsbeschlusses kein Erbrecht mehr.
Rz. 36
Hinterlässt der Erblasser weder Abkömmlinge noch Eltern, erben die Geschwister des Erblassers zu gleichen Teilen (Sec. 69 (1) ISA). Halbbürtige Geschwister sind dabei nach Sec. 72 ISA den vollbürtigen Geschwistern gleichgestellt. Ist ein Geschwisterteil vorverstorben, wird es von seinen Kindern repräsentiert. Eine Repräsentation durch die Großnichten und -neffen erfolgt dagegen nicht. Sind alle Geschwister des Erblassers vorverstorben, erben die Nichten und Neffen zu gleichen Teilen (Sec. 69 (2) ISA) und nicht nach Stämmen. Weitere Abkömmlinge der Geschwister sind erst im Rahmen der Erbfolge der nächsten Verwandten erbberechtigt, d.h. wenn keine Geschwister und/oder Nichten oder Neffen vorhanden sind.
Rz. 37
Sind weder Eltern noch Geschwister und Kinder von Letzteren vorhanden, erben die nächsten Verwandten (next of kin) zu gleichen Teilen. Eine Repräsentation findet in diesem Fall nicht statt. Ausschlaggebend ist allein der Grad der Verwandtschaft (Sec. 71 ISA). Der Verwandtschaftsgrad zu Vorfahren wird durch die Zahl der dazwischenliegenden Geburten ermittelt. In Bezug auf andere Verwandte wird zunächst der Verwandtschaftsgrad des Erblassers zum nächsten gemeinsamen Vorfahren bestimmt und anschließend vom gemeinsamen Vorfahren zum Verwandten die Zahl der Geburten zurückgezählt. Bei gleichem Verwandtschaftsgrad hat der Verwandte der Seitenlinie Vorrang vor dem Vorfahren. Vollbürtige und halbbürtige Verwandte werden bei der Bestimmung des Verwandtschaftsgrades gleichbehandelt (Sec. 72 ISA). Gemäß Sec. 4 (a) Status of Children Act, 1987 spielt es keine Rolle, ob der Verwandte aus einer Ehe hervorgegangen ist.