Rz. 42

Nach früherer überwiegender Auffassung im deutschen Recht war § 1371 Abs. 1 BGB (erbrechtliches Viertel bei Zugewinngemeinschaft) güterrechtlich zu qualifizieren,[55] was häufig Anpassungsprobleme beim Zusammentreffen von deutschem Güterrecht und ausländischem Erbstatut zur Folge hatte. Nun hat jedoch der EuGH in der Rechtssache Mahnkopf[56] den Streit dahingehend entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich zu qualifizieren ist. Denn nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b) EuErbVO unterliegt die Bestimmung der jeweiligen Anteile der Berechtigten am Nachlass dem Erbstatut. Somit kann eine güterrechtliche Norm nicht zu einer Änderung der Erbquoten führen.

 

Rz. 43

Daraus folgt, dass in einem Fall, in dem deutsches Güterrecht und irisches Erbrecht berufen sind, kein Raum (mehr) für die Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB ist. Die Erbquoten ergeben sich (abschließend) aus dem irischen Erbrecht. Die erbrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten beträgt somit ⅔ neben Abkömmlingen des Erblassers, in Abwesenheit solcher erhält er den ganzen Nachlass (vgl. oben Rdn 40). Bei Geltung ausländischen Erbrechts kommt daher eine Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB nicht mehr in Betracht, da dessen Anwendung voraussetzt, dass das deutsche Erbrecht berufen ist. Die zusätzliche Durchführung eines güterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB, die auch neben einem ausländischen Erbstatut stets denkbar ist, kommt neben den dem überlebenden Ehegatten im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge nach irischem Recht gewährten Erbquoten nicht in Betracht. Denn hier ist zu prüfen, ob das ausländische Erbrecht wertungsmäßig den güterrechtlichen Vermögensausgleich substituiert.[57] Das irische Erbrecht gewährt mit einer Erbquote von 2/3 mehr als das deutsche Erbrecht mit der kombinierten Erbquote von 1/2 nach § 1371 Abs. 1 BGB und § 1931 Abs. 1 BGB. Nun stellt sich die, Anschlussfrage, ob daneben noch nach § 1371 Abs. 2 BGB ein güterrechtlicher Zugewinn durchzuführen ist. Nach irischer Vorstellung, die grundsätzlich (bei irischem Güterstatut) keinen güterrechtlichen Ausgleich im Todesfall kennt, ist der güterrechtliche Ausgleich bereits in der (hohen) Erbquote enthalten. Somit ist kein güterrechtlicher Ausgleich vorzunehmen, wenn der überlebende Ehegatte (gesetzlicher) Erbe wird. Allerdings kommt – nach dieser Wertung – ein güterrechtlicher Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB dann in Betracht, wenn der überlebende Ehegatte nicht (gesetzlicher) Erbe wird. Für diesen ist – jedenfalls dann, wenn dem überlebenden Ehegatten neben Kindern als legal right nur ein Drittel des Nachlasses zusteht (vgl. zum legal right unten Rdn 113) – noch Raum. In diesem Rahmen wäre jedoch auch ein etwaiges right of appropation in Bezug auf die Ehewohnung (vgl. dazu oben Rdn 115) zu berücksichtigen.

 

Rz. 44

Daneben ist noch der Fall des Zusammentreffens von deutschem Erbstatut und irischem Güterstatut zu untersuchen. Hier stellt sich die Frage, ob der irische Güterstand eine "Zugewinngemeinschaft" im Sinne des deutschen Rechts ist, wobei es sich um eine Frage der Substitution handelt.[58] Nach irischem Recht stehen dem überlebenden Ehegatten güterrechtliche Ansprüche im Todesfall – bei Anwendbarkeit des irischen gesetzlichen Güterstands – grundsätzlich nicht zu. Denn im irischen Güterrecht gilt der Güterstand der Gütertrennung.[59] Allerdings ist zu beachten, dass nach irischer Vorstellung dem überlebenden Ehegatten (aufgrund der hohen gesetzlichen Erbquote) nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten ein sehr viel höherer Anteil am Vermögen des Erstversterbenden zustehen soll. Somit erfüllt die sich nach irischem Recht ergebende Erbquote bei vergleichender Wertung mit den Vorschriften des deutschen Rechts nicht nur eine erbrechtliche, sondern auch eine güterrechtliche Funktion. Deshalb ist in diesem Fall nicht § 1931 Abs. 4 BGB anzuwenden, sondern dem überlebenden Ehegatten ist eine kombinierte Erbquote in Höhe des halben Nachlasses nach § 1931 Abs. 1 BGB und § 1371 Abs. 1 BGB zu gewähren.[60]

[55] So noch BGH, Urt. v. 13.5.2015 – IV ZB 30/4, DNotZ 2015, 624 m.w.N.
[56] EuGH v. 1.3.2018 – Rs. C-558/16, DNotZ 2018, 785 m. Anm. Süß, DNotZ 2018, 742 ff.
[57] Vgl. zum Ganzen Süß, DNotZ 2018, 742, 748.
[58] Vgl. zur Möglichkeit der Substitution bei Geltung deutschen Erbrechts Süß, DNotZ 2018, 742, 750.
[59] Schotten/Schmellenkamp, Das Internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Irland, Rn 471, wobei dieser Güterstand durch die mit dem Family Law (Divorce) Act 1996 durch die Möglichkeiten gerichtlicher Vermögenszuweisungen relativiert wird (a.a.O.).
[60] Vgl. dazu Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 15 EGBGB Rn 26 m.w.N.; MüKo-BGB/Looschelders, 7. Aufl. 2018, Art. 15 EGBGB Rn 62.

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