Rz. 80
Das irische Recht sieht lediglich Vermächtnisse und keine Erbeinsetzungen vor. Grund hierfür ist, dass ein unmittelbarer Übergang des Vermögens auf bestimmte Personen (Erben) im irischen Recht wegen der Zwischenschaltung des personal representative nicht vorgesehen ist (vgl. dazu Rdn 165 ff.). Sprachlich wird zwischen legacy, d.h. der vermächtnisweisen Zuwendung von beweglichem Vermögen, und devise, das sich auf unbewegliches Vermögen bezieht, unterschieden. Der Vermächtnisnehmer wird als legatee oder devisee bezeichnet. Die unterschiedliche Terminologie ist historisch zu erklären, denn früher wurden bewegliches und unbewegliches Vermögen unterschiedlich behandelt.
Die sog. universal legacy entspricht am ehesten der Erbenstellung nach deutschem Recht (siehe Rdn 82).
Rz. 81
Es werden verschiedene Arten von legacies (bzw. devises) unterschieden. Mit einer general legacy (generelles Vermächtnis) wendet der Testator dem Begünstigen eine bestimmte Geldsumme zu, z.B. 5.000 EUR. Die Zuwendung von Geld, sog. pecuniary legacy, ist die häufigste Form einer general legacy. Sie bezieht sich stets auf einen Geldbetrag. Ein specific legacy bezieht sich auf einen bestimmten Gegenstand, der aber erst im Todeszeitpunkt konkretisiert sein muss, z.B. "das Auto, das ich bei meinem Tod besitze". Der Unterschied zwischen general und specific legacy besteht darin, dass eine specific legacy ins Leere gehen kann, wenn der bestimmte Gegenstand im Todeszeitpunkt nicht mehr im Vermögen des Testators vorhanden ist (sog. ademption), während dies bei einer general legacy nicht möglich ist. Dagegen unterliegt eine general legacy dem abatement (Herabsetzung), der eintritt, wenn das nach Erfüllung der specific legacies verbleibende Vermögen nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu bezahlen und außerdem die Vermächtnisse vollständig zu erfüllen. In diesem Fall ist die genaue Reihenfolge für die Erfüllung gesetzlich in Sec. 46 ISA i.V.m. Teil I der Ersten Tabelle zum ISA festgelegt. Bei Gleichrangigkeit erfolgt eine verhältnismäßige Kürzung der Beträge.
Rz. 82
Eine Mischung aus general und specific legacy ist die sog. demonstrative legacy, die sich zunächst auf eine bestimmte Menge bezieht, bei Nichtausreichen (z.B. eines bestimmten Kontos für die Zuwendung einer festgelegten Summe) aber aus dem allgemeinen Vermögen zu beschaffen ist.
Ferner gibt es auch ein Universalvermächtnis (universal legacy), das sich auf das gesamte Vermögen bezieht. Auch die Zuwendung einer Nachlassquote ist möglich.
Rz. 83
Ein Vermächtnis kann auch unter einer Bedingung angeordnet werden (sog. conditional legacy). Dabei ist neben der aufschiebenden Bedingung (condition precedent) auch eine auflösende Bedingung (condition subsequent) denkbar, die sich somit auf das Behaltendürfen des Vermächtnisgegenstandes bezieht. Der spätere Begünstigte hat dann einen sog. remainder (künftiges Recht). Dies entspricht in etwa dem Nachvermächtnis des deutschen Rechts. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Bedingung ist, dass sie hinreichend bestimmt ist und nicht gegen die öffentliche Ordnung (public policy) verstößt.
Rz. 84
Um sicherzustellen, dass das gesamte Vermögen des Erblassers von der testamentarischen Regelung umfasst ist, empfiehlt es sich, eine residue bzw. eine residuary legacy oder residuary devise anzuordnen. Hierbei handelt es sich auf ein Vermächtnis auf den Überrest, das sich auf alles bezieht, was nicht ausdrücklich verteilt worden ist. Anderenfalls wird das nicht von den Vermächtnissen umfasste Vermögen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge verteilt.
Rz. 85
Ist der Begünstigte vorverstorben, geht das Vermächtnis ins Leere (doctrine of lapse). Der betreffende Vermögensgegenstand fällt in das Restvermögen (residuary estate), sofern für diesen Fall keine andere Rechtsfolge bestimmt worden ist. Eine hiervon abweichende gesetzliche Auslegungsregel sieht Sec. 98 ISA vor, die bestimmt, dass ein Vermächtnis zugunsten eines Abkömmlings, der zu Lebzeiten des Testierenden verstirbt, so auf dessen Abkömmlinge übergeht, als sei die Person unmittelbar nach dem Testator verstorben, sofern sich kein anderweitiger Wille des Erblassers aus dem Testament ergibt. Eine weitere Ausnahme besteht bei Vermächtnissen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten des Erblassers.
Rz. 86
Bei Zuwendungen an mehrere Personen sollte immer angegeben werden, in welchem Erwerbsverhältnis diese den Gegenstand erwerben sollen, also ob sie Miteigentümer zu gleichen Teilen (tenants in common) oder gemeinschaftliche Eigentümer (joint tenants) werden sollen. Ist keine nähere Angabe enthalten, wird – bei Geltung irischen Sachenrechts – eine joint tenancy begründet (siehe Rdn 158). Dies gilt auch für residuary clauses (siehe Rdn 84). Der Hauptunterschied besteht darin, dass bei Versterben eines joint tenant Anwachsung bei den übrigen joint tenants erfolgt, während im Falle einer tenancy in common der Miteigentumsanteil in den Nachlass d...