1. Allgemeines
Rz. 196
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestimmt sich nach den Art. 4 ff. EuErbVO. Diese regeln umfassend alle Erbverfahren, und zwar auch – was seit der Oberle-Entscheidung des EuGH vom 21.6.2018 unstreitig ist – die internationale Zuständigkeit für die Erteilung von nationalen Nachlasszeugnissen wie den Erbschein und die Ausstellung von Testamentsvollstreckerzeugnissen.
Rz. 197
Neben der allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 4 EuErbVO) ergeben sich aus Art. 7 EuErbVO die Zuständigkeit der Gerichte des gewählten Rechts im Falle einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO sowie subsidiäre Zuständigkeiten nach Art. 10 EuErbVO und eine Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO.
2. Nachlassverfahren bei der Vererbung von in Irland belegenem Nachlassvermögen bei einem zuletzt in Deutschland lebenden Erblasser
Rz. 198
Nach Art. 4 EuErbVO sind die deutschen Gerichte für Nachlassverfahren zuständig, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Der gewöhnliche Aufenthalt ist autonom zu bestimmen und umfasst nach Auslegung des EuGH – ähnlich wie das domicile – neben der objektiven auch eine subjektive Komponente. Die Zuständigkeit erstreckt sich nach der Europäischen Erbrechtsverordnung auf den gesamten Nachlass (allgemeine Zuständigkeit). Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte somit gegeben.
Rz. 199
Ist der Erblasser jedoch unter Hinterlassung von Nachlassvermögen in Irland verstorben, ist zwingend (auch) dort ein Nachlassverfahren durchzuführen. Denn deutsche Erbscheine werden in Irland nicht anerkannt oder für vollstreckbar erklärt und sind daher zur Abwicklung dieser Vermögensmasse unbrauchbar. Auch Europäische Nachlasszeugnisse werden in Irland nicht anerkannt, da Irland nicht Mitgliedstaat i.S.d. EuErbVO ist. Aufgrund der gesonderten Anknüpfung für die administration gilt zudem aus irischer Sicht diesbezüglich für in Irland belegenes Vermögen stets irisches Recht (siehe Rdn 10). Dies gilt selbst insoweit, als für die succession aus irischer Sicht deutsches Recht anzuwenden wäre (z.B. für das in Irland befindliche bewegliche Vermögen bei letztem domicile in Deutschland).
Rz. 200
Sind Vermögenswerte des Erblassers in einem Drittstaat i.S.d. EuErbVO – wie hier in Irland – belegen, der die Entscheidung des mitgliedschaftlichen Gerichts nicht anerkennen würde, sieht die EuErbVO in Art. 12 Abs. 1 die Möglichkeit vor, dass das nach der Verordnung zuständige Gericht auf Antrag einer der Parteien nicht über diese Vermögensgegenstände befindet. Somit kann das angerufene deutsche Gericht davon absehen, über die dem irischen Nachlassverfahren unterliegenden Gegenstände zu entscheiden. Für das irische Nachlassvermögen ist in Irland ein grant of probate bzw. ein letter of administration zu beantragen (vgl. dazu Rdn 172, 178).
Rz. 201
Um die Durchführung des Nachlassverfahrens in Irland zu erleichtern, empfiehlt sich die testamentarische Benennung eines executors zumindest für das in Irland belegene Vermögen, sofern nicht ohnehin ein Testamentsvollstrecker benannt worden ist. Hier ist deutlich zu machen, ob der executor nur für die Zwecke des irischen Nachlassverfahrens bestellt werden soll oder ob der Person weitere Befugnisse zustehen sollen. Der im irischen grant of probate ernannte personal representative ist aufgrund der irischen Entscheidung nur zur Verwaltung des dort belegenen Vermögens befugt.
Rz. 202
Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines anderen Mitgliedstaates (Art. 5 EuErbVO) im Falle einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO spielt im deutsch-irischen Rechtsverkehr keine Rolle. Denn Irland ist kein Mitgliedstaat i.S.d. EuErbVO und die einheitliche Zuständigkeit seiner Gerichte für den gesamten Nachlass kann somit nicht erreicht werden.
Rz. 203
Es sind stets zwei Nachlassverfahren durchzuführen, sofern sich Nachlassvermögen in beiden Staaten befindet.
3. Nachlassverfahren in Deutschland bei einem in Irland lebenden Erblasser
Rz. 204
Verstirbt der Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Irland, besteht keine allgemeine Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 4 EuErbVO.
Rz. 205
Wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, kann auch über Art. 7 EuErbVO keine Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet werden. In diesem Fall wäre zwar eine Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO zugunsten seines deutschen Heimatrechts möglich und nach Art. 5 EuErbVO auch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte. Da Irland jedoch kein Mitgliedstaat der Verordnung ist, können sich dessen Gerichte nicht nach Art. 6 EuErbVO für unzuständig erklären, so dass die Prorogationsmöglichkeit ins Leere läuft (Art. 7 li...