I. Gesetzliches Erbrecht
1. Verwandtenerbrecht
Rz. 6
Das Erbrecht ist im Erbgesetzbuch vom 14.3.1962 (im Folgenden: ErbG), zuletzt mit Wirkung zum 31.12.2021 geändert, geregelt. Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind vorverstorben, so treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein (Art. 2 ErbG). Nichteheliche Kinder und Adoptivkinder sind ehelichen bzw. leiblichen Kindern gleichgestellt. Wie im deutschen Recht auch hat eine Adoption den Abbruch der verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern zur Folge (Art. 5 Abs. 2 ErbG). Ebenso sind bereits gezeugte und später lebend geborene Abkömmlinge erbberechtigt (Art. 21 ErbG).
Rz. 7
Hinterlässt der Erblasser weder Abkömmlinge noch einen Ehepartner, sind die Eltern des Erblassers gesetzliche Erben zweiter Ordnung. Sie erben zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge entsprechend Art. 2 ErbG in die Erbfolge ein. Hat der vorverstorbene Elternteil keine Abkömmlinge, erhält der andere Elternteil dessen Anteil am Erbe (Art. 3 ErbG).
Rz. 8
Erben dritter Ordnung sind die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits je zur Hälfte. Ist ein Großelternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein. Hat der vorverstorbene Großelternteil keine Abkömmlinge hinterlassen, erbt der andere Großelternteil dessen Anteil. Ist ein Großelternpaar vorverstorben und sind auch keine Abkömmlinge mehr vorhanden, geht deren Erbteil in die andere Linie – also auf das andere Großelternpaar bzw. dessen Abkömmlinge – über (Art. 4 ErbG).
Rz. 9
Hinterlässt der Erblasser keinerlei Erben i.S.d. Art. 1 ErbG, erbt der Staat (Art. 55 ErbG).
Sterben der Erblasser und sein Erbe, ohne dass festgestellt werden kann, wer zuerst verstorben ist, wird vermutet, dass beide gleichzeitig verstorben sind (Art. 22 ErbG).
2. Erbrecht des Ehegatten
Rz. 10
Neben Abkömmlingen erbt der Ehegatte ein Drittel. Durch Änderung des Ehegesetzes wurde im Jahr 2010 die Ehe geschlechtsneutral ausgestaltet. Die Regelungen über die Ehe erstrecken sich seither auch auf alte registrierte Partnerschaften. Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, erhält der Ehegatte die gesamte Erbschaft (Art. 3 Abs. 1 ErbG).
Rz. 11
Erbt der überlebende Ehegatte allein und stirbt ohne Abkömmlinge oder ohne einen späteren Ehepartner zu hinterlassen, so wird sein Nachlass unter seinen Erben und den Erben des vorverstorbenen Ehepartners hälftig geteilt, es sei denn, er hat testamentarisch etwas anderes verfügt (Art. 6 Abs. 1 ErbG). Hat er selbst keine Erben, geht der Nachlass vollständig an die Erben des vorverstorbenen Ehegatten (Art. 6 Abs. 2 ErbG). Bei der Frage nach den Erben des vorverstorbenen Ehegatten ist auf den Zeitpunkt des Todes des überlebenden Ehegatten abzustellen. Das Erbrecht des Ehegatten erlischt durch Trennung, Scheidung oder gerichtliche Eheannullierung; unter bestimmten Umständen auch bei Bestehen von Ehehindernissen (Art. 26 ErbG).
3. Recht zur Fortsetzung der Gütergemeinschaft (óskipt bú)
Rz. 12
Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft, hat der überlebende Ehegatte das Recht, nach dem Tod des Partners diese Gütergemeinschaft mit den gemeinsamen Kindern fortzusetzen (óskipt bú), es sei denn, der Erblasser hat dies testamentarisch ausgeschlossen (Art. 7 ErbG). Zum ungeteilten Gut gehören mit dem Tod des Ehegatten zum einen die Gegenstände, die schon während der Ehe zum Gesamtgut gehörten, zum anderen fällt – sofern dies durch Testament oder Ehevertrag angeordnet worden ist – auch vormaliges Sondergut des verstorbenen Ehegatten in das ungeteilte Gut.
Rz. 13
Mit Stiefkindern kann die Gütergemeinschaft nur fortgesetzt werden, wenn diese (bzw. deren gesetzlicher Vertreter) zugestimmt haben oder der Erblasser die Möglichkeit der Fortsetzung der Gütergemeinschaft testamentarisch angeordnet hat (Art. 8 ErbG). Die Fortsetzung der Gütergemeinschaft muss nach Maßgabe des Art. 10 ErbG unverzüglich nach dem Tod des Ehegatten beim Nachlassgericht beantragt werden.
Rz. 14
Die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ist ausgeschlossen, wenn der überlebende Ehegatte insolvent ist oder sein Vermögen nicht ausreicht, um die Nachlassverbindlichkeiten zu decken (Art. 9 ErbG).
Rz. 15
Setzt der überlebende Ehegatte die Gütergemeinschaft fort, erhält er die Stellung eines Eigentümers. Ähnlich wie bei befreiter Vorerbschaft nach deutschem Recht kann er grundsätzlich frei über das Vermögen verfügen. Bei Missbrauch der Verfügungsmacht können die Erben jedoch nach Art. 15 ErbG die Teilung verlangen.
Rz. 16
Der überlebende Ehegatte kann jederzeit die Teilung verlangen (A...