A. Internationales Erbrecht
Rz. 1
Das isländische internationale Privatrecht ist nicht kodifiziert; es entspricht im Wesentlichen dem dänischen IPR. Das Erbstatut bestimmt sich gewohnheitsrechtlich nach dem Domizil, also dem letzten dauerhaften Wohnsitz des Erblassers. Wie im dänischen Recht auch, wird wohl aus isländischer Sicht das ausländische Kollisionsrecht nicht angewendet, so dass es nicht zu Rück- oder Weiterverweisungen kommt. Ein mit letztem Wohnsitz in Deutschland verstorbener Isländer wird daher aus isländischer Sicht nach deutschem Recht beerbt. Aus deutscher Sicht ergibt sich die Anwendung deutschen Erbrechts. Ein Deutscher mit letztem Wohnsitz in Island wird aus isländischer sowie aus deutscher Sicht nach isländischem Recht beerbt.
Rz. 2
Bezüglich unbeweglichen Vermögens erfolgt die Erbteilung grundsätzlich nach den Regeln desjenigen Landes, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Zu beachten ist, dass der Erwerb unbeweglicher Sachen in Island für Ausländer nur eingeschränkt möglich ist. Auch für den Eigentumserwerb durch Erbschaft benötigen Ausländer eine behördliche Genehmigung.
Rz. 3
Sowohl der negative als auch der positive ordre-public-Vorbehalt sind im isländischen Recht anerkannt.
Rz. 4
Island ist nicht Vertragsstaat des Haager Testamentsformübereinkommens. Nach der im dänischen Recht geltenden Regel locus regit actum wird ein Testament jedoch auch dann als formgültig anerkannt, wenn es den Formerfordernissen des Staates entspricht, in dem es errichtet worden ist. Diese Regelung dürfte auch im isländischen Recht Anwendung finden.
Rz. 5
Island ist jedoch Vertragsstaat der Nordischen Nachlasskonvention (Nordisk Dødsbokonvention) mit Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland. Unter den beteiligten Staaten werden bei grenzüberschreitenden Erbfällen die jeweiligen Vorschriften zur Nachlassregelung anerkannt.
B. Materielles Erbrecht
I. Gesetzliches Erbrecht
1. Verwandtenerbrecht
Rz. 6
Das Erbrecht ist im Erbgesetzbuch vom 14.3.1962 (im Folgenden: ErbG), zuletzt mit Wirkung zum 31.12.2021 geändert, geregelt. Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind vorverstorben, so treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein (Art. 2 ErbG). Nichteheliche Kinder und Adoptivkinder sind ehelichen bzw. leiblichen Kindern gleichgestellt. Wie im deutschen Recht auch hat eine Adoption den Abbruch der verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern zur Folge (Art. 5 Abs. 2 ErbG). Ebenso sind bereits gezeugte und später lebend geborene Abkömmlinge erbberechtigt (Art. 21 ErbG).
Rz. 7
Hinterlässt der Erblasser weder Abkömmlinge noch einen Ehepartner, sind die Eltern des Erblassers gesetzliche Erben zweiter Ordnung. Sie erben zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge entsprechend Art. 2 ErbG in die Erbfolge ein. Hat der vorverstorbene Elternteil keine Abkömmlinge, erhält der andere Elternteil dessen Anteil am Erbe (Art. 3 ErbG).
Rz. 8
Erben dritter Ordnung sind die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits je zur Hälfte. Ist ein Großelternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein. Hat der vorverstorbene Großelternteil keine Abkömmlinge hinterlassen, erbt der andere Großelternteil dessen Anteil. Ist ein Großelternpaar vorverstorben und sind auch keine Abkömmlinge mehr vorhanden, geht deren Erbteil in die andere Linie – also auf das andere Großelternpaar bzw. dessen Abkömmlinge – über (Art. 4 ErbG).
Rz. 9
Hinterlässt der Erblasser keinerlei Erben i.S.d. Art. 1 ErbG, erbt der Staat (Art. 55 ErbG).
Sterben der Erblasser und sein Erbe, ohne dass festgestellt werden kann, wer zuerst verstorben ist, wird vermutet, dass beide gleichzeitig verstorben sind (Art. 22 ErbG).
2. Erbrecht des Ehegatten
Rz. 10
Neben Abkömmlingen erbt der...