Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
a) Erbordnungen, Linearsystem, Repräsentationsprinzip
Rz. 81
Nach italienischem Erbrecht sind die Verwandten des Erblassers in Ordnungen zu unterscheiden (Art. 566–580 c.c.), von denen die vorrangige jeweils die nachfolgende verdrängt: Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge (Art. 566 Abs. 1 c.c.), Erben zweiter Ordnung sind die Aszendenten und Geschwister, Erben dritter Ordnung sind die anderen Verwandten bis zum sechsten Grad, wobei die gradnäheren die gradferneren ausschließen. (Art. 572 c.c.). Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung/Grades vorhanden ist. Mehrere Verwandte gleichen Grades erben unter sich zu gleichen Teilen. Sind mehrere Verwandte der gleichen Ordnung vorhanden, gilt das sog. Linearsystem, wonach jeder zur Erbfolge gelangende Abkömmling als Repräsentant seiner Linie alle durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt.
Rz. 82
Von Bedeutung ist der Grundsatz der Repräsentation (Art. 468 c.c.) bei zu Erben berufenen Kindern und Geschwistern: Können oder wollen die zunächst berufenen Kinder oder Geschwister nicht Erbe werden, treten an deren Stelle die Abkömmlinge (Grundsatz der Repräsentation – Beerbung nach Stämmen, Art. 469 Abs. 3 c.c.). Das Repräsentationsprinzip gilt nicht nur bei gesetzlicher Erbfolge, sondern auch bei testamentarischer Erbfolge. Es geht nach Art. 674 Abs. 4 c.c. der Anwachsung vor.
b) Abkömmlinge
Rz. 83
Sind Abkömmlinge vorhanden und hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten, so steht diesen kraft Gesetzes das gesamte Vermögen zu, mehreren zu unter sich gleichen Teilen. Kinder schließen Enkelkinder aus (sog. Linearsystem). Bei Vorversterben eines Abkömmlings treten an dessen Stelle seine Abkömmlinge.
Rz. 84
In der Ehe geborene und außer der Ehe geborene Abkömmlinge sowie adoptierte Kinder sind gleichgestellt (Art. 567 c.c.). Außer der Ehe geborene Kinder müssen in jedem Fall vom Erblasser (Vater- und Mutterschaft) anerkannt (Art. 573, 250–268 c.c.) oder die Abstammung muss gerichtlich festgestellt worden sein (Art. 573, 269–279 c.c.). Die Feststellung der Elternschaft kann auch noch nach dem Tod des Erblassers erfolgen. Auch Inzestkinder können nun anerkannt werden. Gleichgestellt sind auch legitimierte Kinder, soweit die Legitimation vor Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform (7.2.2014) erfolgte; das Rechtsinstitut der Legitimation ist abgeschafft. Stiefkinder sind nur gegenüber ihrem leiblichen Elternteil erbberechtigt.
Die Anerkennung und die Feststellung wirken seit der Kindschaftsrechtsreform 2014 auch in Bezug auf Verwandte des anerkennenden Elternteils. Das Kind ist somit gesetzlich voll erbberechtigt nach den Verwandten der Eltern in gerader Linie und in der Seitenlinie.
Insbesondere nach Art. 253 c.c. nicht anerkennungsfähigen Kindern steht ein bloßer Geldanspruch entsprechend ihrer fiktiven Erbquote (Art. 580 c.c.) in Höhe der aus ihrem, im Fall unterstellter Anerkennung sich ergebenden Erbteil fließenden Rendite zu. Es steht also nicht nur den in der Ehe geborenen Kindern ein Abfindungsrecht zu; vielmehr kann umgekehrt auch das nicht anerkennungsfähige Kind seine Abfindung durch Kapitalisierung verlangen, die die Erben durch Übertragung von Nachlassgegenständen erfüllen können (Art. 580 Abs. 2 c.c.).
Rz. 85
Neben dem Ehegatten erbt ein Kind die Hälfte. Erbt mehr als ein Kind, stehen ihnen ⅔ des Nachlasses zu unter sich gleichen Teilen zu. Die frühere Regelung des Art. 537 Abs. 3 c.c., die Nachlassbeteiligung von nichtehelichen Kindern in eine Geldabfindung umzuwandeln oder ihnen bestimmte Nachlassgegenstände zuzuweisen, wurde aufgehoben.