Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
I. Nachweis der Erbeneigenschaft
Rz. 267
Das italienische Erbrecht kannte – abgesehen von dem sog. certificato di eredità in den nach dem 1. Weltkrieg neu erworbenen Gebieten – vormals keinen Erbschein. Mit Art. 62 ff. EuErbVO ist nun in Italien die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses möglich.
Rz. 268
Zum Nachweis der Erbeneigenschaft ist neben dem Europäischen Nachlasszeugnis, das innerstaatliche Erbnachweise nicht verdrängt, sondern eine zusätzliche Option bildet, soweit es sich nicht um Immobilien und dingliche Rechte gem. Art. 2648, 2660–2662 c.c. handelt, die der Eintragung in das Immobilienregister unterliegen, die Annahmeerklärung vorzulegen (siehe auch Rdn 62 f.).
Rz. 269
Des Weiteren behilft sich die Praxis mit dem in einigen Spezialfällen vorgesehenen atto di notorietà; dabei handelt es sich um eine eidesstattliche Erklärung über dem Erklärenden bekannte Tatsachen und Umstände (öffentliche Urkunde i.S.v. Art. 2699 c.c.). Sie dient, auch wenn sie nicht die Tatsachen selbst, sondern nur die Kenntnis bestimmter Tatsachen beweist, dem Schutz der Gutgläubigkeit Dritter, deren redlicher Erwerb von einem Scheinerben gem. Art. 534 Abs. 2 c.c. geschützt ist. Banken zahlen somit, wenn keine dichiariazione di successione (siehe Rdn 276 ff.) vorliegt, aufgrund eines solchen atto di notorietà an den, der sich darin als Bedachten bezeichnet, aus.
Rz. 270
Wird das Erbrecht eines "Erben" bestritten, ist der "Erbe" zur Erhebung der Erbschaftsklage berechtigt (Art. 533 ff. c.c.). Er hat dann entweder das Testament vorzulegen oder seine erbbegründende Verwandtschaftsstellung sowie das Fehlen anderer Berechtigter nachzuweisen.
Diejenige (beklagte) Partei, die ihre eigene Erbenstellung bestreitet, hat zu beweisen, nicht Erbe geworden zu sein, denn in Italien ist es dem Kläger mangels Erbscheinverfahren und angesichts einer Erbschaftsannahmefrist von zehn Jahren nicht zuzumuten bzw. verfahrensunökonomisch, diesbezügliche Beweise durch Recherchen oder mittels des Nebenverfahrens (actio interrogatoria) gem. Art. 481 c.c. zu erbringen. Für den in Anspruch genommenen vermeintlichen Erben ist es wegen der Nähe zum mit der Erbfolge verbundenen Sachverhalt hingegen ein Leichtes, den entsprechenden Beweis zu leisten.
II. Abwicklung von in Italien belegenem Nachlass
Rz. 271
Die vom Erben vorzunehmenden Verfahrensschritte hängen davon ab, ob ein Testament vorhanden ist und ob Immobilien zum Nachlass gehören oder nicht.
1. Vorliegen eines Testaments
Rz. 272
Nach dem Tod des Erblassers muss jede Person, die ein eigenhändiges Testament findet oder besitzt, es einem Notar ihrer Wahl zur Veröffentlichung vorlegen (Art. 620 Abs. 1 c.c.). Beim notariellen Testament erfolgt die Eröffnung durch den Notar, der es beurkundet oder aufbewahrt hat. Ist dieser Notar verstorben, kann jeder, der ein nachweisbares Interesse hat, die Veröffentlichung durch das Archivio notarile des Bezirks, wo der Nachlass eröffnet wird, unter Vorlage der Sterbeurkunde, von Ausweispapieren und der italienischen Steuernummer (sog. codice fiscale) beantragen.
Rz. 273
Der Notar beurkundet die Testamentseröffnung und sorgt innerhalb von 30 Tagen ab Testamentseröffnung für deren Registrierung bei der Agenzia delle entrate. Der Notar muss des Weiteren einerseits nach Art. 622 c.c. in seinem Besitz befindliche Testamente sowie die Niederschrift über die Testamentseröffnung unverzüglich der zuständigen – maßgeblich ist der letzte Wohnsitz des Erblassers – cancelleria del Tribunale zur Aufbewahrung – keine Registrierung im Erbschaftsregister – sowie die Niederschrift über die Testamentseröffnung innerhalb von zehn Tagen dem Ufficio Centrale degli Archivi Notarili, angesiedelt beim Justizministerium, übersenden; Letzteres nimmt die Eintragung in das registro generale dei testame...