Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
I. System der Erbschaftsteuer
Rz. 299
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die die Regierung Berlusconi mit Gesetz Nr. 383 vom 18.10.2001, das am 25.10.2001 in Kraft trat, für alle Erbfälle, die nach dem 25.10.2001 eingetreten sind, abgeschafft hatte, wurde durch das Gesetzesdekret Nr. 262/06 bzw. durch Gesetz Nr. 286/06 rückwirkend zum 3.10.2006 (Erbschaften) bzw. zum 1.1.2007 (Schenkungen) wieder eingeführt. Art. 2 Abs. 47 Ges. Nr. 286 vom 24.11.2006 bestimmt, dass beim Erwerb von Todes wegen, bei Schenkungen und sonstigen unentgeltlichen Übertragungen (atti di donazione, trasferimenti a titolo gratuito, vincoli di destinazione) Erbschaft- und Schenkungsteuer anfällt. Neben der unentgeltlichen Übertragung von Vermögensgegenständen fallen auch der Verzicht und die Bestellung von Realrechten, der Verzicht auf Forderungen sowie die Zuwendung von Pensions- und anderen periodischen Zahlungen unter die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bei der Wiedereinführung wurde weitgehend auf die Bestimmungen in den d.legs. 346/1990 und G. 342/2000 verwiesen. D.legs. 31.10.1990, n. 346 wird oft als t.u. (Testo unico delle disposizioni concernenti l’imposta delle successioni e donazioni) abgekürzt. Die Steuersätze und persönlichen Steuerfreibeträge wurden neu geregelt.
II. Umfang der Steuerpflicht
Rz. 300
Der Erbschaftsteuer unterliegen nach Art. 9 d.legs. 346/90 grundsätzlich sämtliche Vermögensgegenstände und Rechte, soweit nicht nach Art. 3 d.legs. 346/90 ein Befreiungstatbestand vorliegt. So ist neben der Übertragung zugunsten des Staates, bestimmter anerkannter gemeinnütziger Vereinigungen und Stiftungen nach Art. 3 Abs. 4 ter d.legs. 346/90 insbesondere die Übertragung von (Teil-)Betrieben sowie von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften steuerfrei, soweit der Erbe ein Abkömmling des Erblassers ist, er den Betrieb(-steil) fortführt bzw. den Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft weiterhält, und zwar für mindestens fünf Jahre ab dem Tod des Erblassers, und er in der Erbschaftserklärung eine entsprechende Erklärung abgibt. Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften muss der Abkömmling für die Steuerbefreiung eine Beteiligung erwerben oder vermehren, mit der er über die Mehrheit der Stimmrechte in der ordentlichen Gesellschafterversammlung verfügen kann (Art. 2359 Abs. 1 lit. 1 c.c.).
Rz. 301
Nicht erbschaftsteuerpflichtig sind nach den Bestimmungen der Art. 12 und 13 d.legs. 346/90 u.a. gesetzliche Renten und Lebensversicherungen sowie Unfallrenten nach Art. 2122 c.c.
Rz. 302
Gleiches gilt für in öffentlichen Registern eingetragene Güter und Rechte, Aktien und Anteile, die vor dem Todesfall übertragen wurden (wohl aber u.U. Schenkungsteuerpflicht!), Staatsanleihen und andere von der italienischen Republik emittierte, gleichgestellte (BOT, CCT, BTP, Weltbank usw.) oder garantierte Wertpapiere. Fahrzeuge, die im öffentlichen Fahrzeugregister eingetragen sind – für sie gibt es eine besondere Steuer –, sowie Gegenstände, die nach Ges. Nr. 1089 vom 1.6.1939 unter Denkmalschutz stehen; in diesem Fall haben die Erben ein Verzeichnis dieser Vermögensgegenstände zu erstellen, eine entsprechende Bestätigung des Kultur- und Umweltministeriums einzuholen und diese der Erbschaftsteuererklärung beizulegen. Die Befreiung wird hinfällig, wenn die unter Denkmalschutz stehenden Gegenstände z.B. innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbfall veräußert werden oder der Versuch unternommen wird, sie ins Ausland zu exportieren.
Rz. 303
Der Schenkungsteuer unterliegen grundsätzlich alle mittelbaren und unmittelbaren Schenkungen sowie nach Art. 2 Abs. 47 Ges. 286/06 auch Zweckzuwendungen (z.B. Zuwendungen von Vermögensgegenständen an einen Trust).
Rz. 304
Nach Art. 1 Abs. 4 bis d.lgs. 346/90 (i.d.F. von Ges. 342/2000) greift bei mittelbaren Schenkungen von Immobilien und Unternehmen die Schenkungsteuer nicht, wenn bei der Übertragung die proportionale Registersteuer oder die Umsatzsteuer zur Anwendung kommt.
Rz. 305
Eine für die Schenkungsteuer spezifische sachliche Freistellung ist in Art. 1 Abs. 4 d.legs. 346/90 enthalten, wonach Geschenke und unentgeltliche Übertragungen mit geringem Wert i.S.v. Art. 742, 783 c.c. nicht der Schenkungsteuer unterliegen.