Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
1. Überblick
Rz. 1
Für die Rechtsnachfolge ist in Italien die EuErbVO einschlägig, die gem. Art. 84 Abs. 2 EuErbVO im Wesentlichen ab 17.8.2015 in Kraft trat und ab diesem Zeitpunkt die bisherigen autonomen Kollisionsnormen in deutsch-italienischen Erbfällen (Art. 25, 26 EGBGB bzw. Art. 46 ff. des Gesetzes Nr. 218 vom 31.5.1995, in Kraft getreten am 1.9.1995 – it. IPRG) verdrängt hat. Sie gilt nach der Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO für Erbfälle ab 17.8.2015, entfaltet aber gem. Art. 83 Abs. 2 und 3 EuErbVO auch davor bereits gewisse Wirkungen im Hinblick auf eine vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahl und auf die Wirksamkeit einer vor dem 17.8.2015 errichteten Verfügung von Todes wegen.
Rz. 2
Die Einführung der EuErbVO hat für das italienische internationale Privatrecht das Regel-Ausnahme-Verhältnis verschoben. War bislang die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit die Regel und die Wahl des Wohnsitzes nur durch Rechtswahl möglich, knüpft die EuErbVO nun an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Die EuErbVO ersetzt die bisherigen Regelungen der Art. 46–50 it. IPRG komplett. Jedenfalls ist, obwohl das IPRG bislang nicht angepasst wurde, von einer Priorität der EuErbVO auszugehen.
Rz. 3
Die EuErbVO betont den Grundsatz der Nachlasseinheit, den das italienische Recht schon immer vertreten hat. Wichtig ist, dass der Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen keine Gerichtsstandvereinbarung treffen kann. Der an sich gewünschte Gleichlauf von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht lässt sich also bei Rechtswahl des Rechts der Staatsangehörigkeit nicht immer gewährleisten, soweit nicht Art. 5, 6 und 7 EuErbVO eingreifen.
2. Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
Rz. 4
Da aus italienischer Sicht der Begriff der residenza ebenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort Bezug nimmt, ergeben sich insoweit grundsätzlich keine Auslegungs- und Anpassungsprobleme, wenn auch der Begriff autonom auszulegen ist.
Rz. 5
Definiert wird die residenza im Codice civile als "Ort, an dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat" (Art. 43 Abs. 2 c.c.). Zwar reicht nach italienischem Recht als Beweis für die residenza in Italien der förmliche Akt der Anmeldung aus. Allerdings stellt die Anmeldung in einem Registro dell’Anagrafe in Italien eine einfache Vermutung (sog. presunzione semplice) dar. Ein abweichender tatsächlicher gewöhnlicher Aufenthalt kann mit jedem Mittel bewiesen werden; entscheidend ist die umfassende Würdigung der Lebensumstände des Erblassers: Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie die besonders enge und feste Bindung zum betreffenden Staat.
Rz. 6
Die autonome Auslegung des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" nach den Begründungen 23 und 24 EuErbVO wird sicher noch viele Jahre der Klärung in Anspruch nehmen. Die bereits viel diskutierten Fälle der Grenzpendler, Manager, Studenten, Diplomaten und Pflegefälle sind bekannt. Der Verweis von Art. 21 EuErbVO auf das Recht des Staates, mit dem der Erblasser die engsten Verbindungen hatte, lässt subjektive Elemente bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts eher in den Hintergrund treten.
Rz. 7
Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt hilft, Abgrenzungs- und Koordinationsprobleme zwischen Erbstatut und deutschem Güterrechts- bzw. Sachstatut sowie im Rahmen der Nachlassabwicklung zwischen dem italienischen Erbstatut und dem deutschen Verfahrensrecht zu vermeiden.
3. Intertemporale Wirkung der EuErbVO
Rz. 8
Von Bedeutung ist die intertemporale Wirkung der EuErbVO. Zunächst gilt eine frühere Rechtswahl fort (Art. 83 E...