Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
1. Rechtswahl nach der EuErbVO
Rz. 20
Nach der EuErbVO besteht die Möglichkeit des Erblassers, für seine Erbfolge das Recht seiner Staatsangehörigkeit zu wählen. Im Rahmen dieser Rechtswahl beinhaltet die EuErbVO insoweit eine Erweiterung, als die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers nicht nur zum Zeitpunkt seines Todes, sondern auch an die zum Zeitpunkt der Rechtswahl möglich ist. Aufgrund der universellen Geltung der EuErbVO besteht der Vorrang der italienischen Staatsangehörigkeit nach Art. 19 it. IPRG nicht mehr. Auch auf die effektive Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Bei mehreren Staatsangehörigkeiten kann jede beliebige von ihnen gewählt werden und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser zu dem gewählten Staat die engste Verbindung hat oder nicht. Mehrere Erblasser mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit können keine gemeinsame Rechtswahl treffen; dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 25 Abs. 3 EuErbVO.
Rz. 21
Auch wenn das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt, gelten gem. Art. 25 EGBGB zur Sicherung des Gleichlaufs des erbrechtlichen Kollisionsrechts die Vorschriften der Art. 20–38 EuErbVO entsprechend.
Rz. 22
Im Bereich der Form brachte die EuErbVO (in Bezug auf deutsch-italienische Erbfälle) zwei zu begrüßende Klarstellungen in früher strittigen Fragen: Die EuErbVO stellt zum einen klar, dass auch eine konkludente bzw. implizite Rechtswahl möglich ist und dass diese auch in einem Erbvertrag erfolgen kann. Zum anderen sind Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit von der EuErbVO ausgenommen worden. Nach Art. 26 Abs. 1 EuErbVO erfasst das Erbstatut ausdrücklich aber die Testierfähigkeit. Die frühere Regelung des Art. 47 it. IPRG, die für die Testierfähigkeit gesondert an die Staatsangehörigkeit anknüpfte, ist hinfällig. Probleme infolge dieser gesonderten Anknüpfung der Testierfähigkeit und der Abweichung vom Erbstatut können seither aus italienischer Sicht nicht mehr auftreten.
2. Frühere Rechtswahlmöglichkeiten (Erbfälle bis 16.8.2015)
Rz. 23
Ein italienischer Staatsangehöriger konnte in Anwendung des früheren Rechts in zweierlei Weise deutsches Recht wählen: erstens durch eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. und zweitens durch eine unbeschränkte Rechtswahl nach Art. 46 Abs. 2 it. IPRG.
a) Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.
Rz. 24
Durch die auch konkludent mögliche beschränkte Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. konnte ein italienischer Staatsangehöriger für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen – die Auslegung des Begriffs "unbewegliches Vermögen" ist streitig – als maßgebliches Erbstatut deutsches Recht wählen, so dass aus deutscher Sicht z.B. Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente insoweit zulässig sind; dadurch konnten z.B. die nach italienischem Erbstatut bzw. die nach Art. 46 Abs. 2 it. IPRG bei einer unbeschränkten Rechtswahl nach Art. 46 Abs. 2 S. 3 it. IPRG fortbestehenden Pflichtteilsrechte der in Italien wohnenden Angehörigen ausgeschlossen werden.
Rz. 25
Infolge des Grundsatzes der Nachlasseinheit erkannte aber das italienische Recht die Rechtswahl eines italienischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen nach Art. 25 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. ungeachtet der Wirksamkeit in Deutschland nicht an; aus italienischer Sicht lag eine "hinkende Erbfolge" vor, woraus sich Probleme gerade im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht und die Erbenhaftung ergaben. Bei einer Klage des Pflichtteilsberechtigten vor einem italienischen Gericht würde dieses nur italienisches Recht anwenden. Aus deutscher Sicht ergab sich aus der beschränkten Rechtswahl eine Nachlassspaltung.
b) Rechtswahl nach Art. 46 Abs. 2 it. IPRG
Rz. 26
Daneben bestand die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 46 Abs. 2 it. IPRG, die den Vorteil hatte, die Nachlassspaltung zu vermeiden.
Rz. 27
Nach Art. 46 Abs. 2 it. IPRG konnte der Erblasser für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates – maßgebend ist dessen Inhalt zum Todeszeitpunkt – wählen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt (residenza, Art. 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 c.c.) hat, sofern er diesen auch noch bei seinem Tod dort innehatte, gleichgültig, ob das gewählte Recht eine Rechtswahl erlaubt. Die Rechtswahl umfasste dabei zwingend den gesamten Nachlass; eine Rück- oder Weiterverweisung durch das gewählte Recht war nach Art. 13 Abs. 2a it. IPRG ausgeschlossen. Die Rechtswahl war für den in Italien ansässigen Ausländer genauso wie für...