Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
1. Allgemeines
Rz. 226
Der Anfall des Nachlasses erfolgt im italienischen Recht nicht ipso jure. Der Nachlass bildet zunächst eine selbstständige Masse ohne Rechtsträger (sog. patrimonio ereditario), die erst durch die Annahme der Erbschaft durch die zur Erbschaft berufenen Personen gem. Art. 470 ff. c.c. diesen Personen anfällt (Art. 459 c.c.). Die Annahme wirkt nach Art. 459 c.c. auf den Erbfall zurück.
Rz. 227
Das gem. Art. 479 c.c. vererbliche Recht auf die Annahme setzt daher die apertura della successione (die nach Art. 456 c.c. mit dem Tod des Erblassers stattfindet) und die delazione dell’eredità (d.h. die Berufung zur Erbschaft, die nach Art. 457 c.c. durch Gesetz oder Testament erfolgt) voraus. Nach dem Erbanfall hat der Berufene drei Möglichkeiten:
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Die vorbehaltslose Annahme der Erbschaft; |
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die Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung; |
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die Ausschlagung der Erbschaft. |
Rz. 228
In der Zeit zwischen der delazione und der Annahme kann der zur Erbschaft Berufene die possessorischen Klagen (Art. 1168 f. c.c.) erheben, auch wenn er nicht den Besitz des Nachlasses erlangt hat (Art. 460 Abs. 1 c.c.). Er kann erhaltende, sichernde und vorübergehend verwaltende Maßnahmen vornehmen (Art. 460 Abs. 2 c.c.), soweit kein Nachlasspfleger eingesetzt wurde (Art. 460 Abs. 3 c.c.). Die anfallenden Kosten gehen im Fall der Ausschlagung zu Lasten des Nachlasses (Art. 461 c.c.).
Rz. 229
Das Gericht des Bezirks, in dem die Erbfolge eröffnet wurde, kann auf Antrag oder von Amts wegen einen curatore (Nachlasspfleger) benennen, solange die Annahme nicht stattgefunden hat und der Berufene nicht im Besitz der Erbschaft ist (sog. hereditas iacens, Art. 528 c.c.). Nach der Rechtsprechung ist ein curatore auch zu benennen, wenn unsicher ist, ob überhaupt zu Erben Berufene vorhanden sind oder existieren.
2. Annahme der Erbschaft
a) Allgemeines
Rz. 230
Die italienische Rechtsordnung unterscheidet zwischen der einfachen Annahme (accettazione pura e semplice) und der Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (accettazione con beneficio di inventario) als zwei grundlegend verschiedenen Rechtsgeschäften. Während Letztere unter der zusätzlichen Voraussetzung der rechtzeitigen Inventarerrichtung zu einer Trennung von eigenem und ererbtem Vermögen und zu einer auf das Nachlassvermögen beschränkten Haftung bei Vorzug der Nachlassgläubiger gegenüber Privatgläubigern des Erben (Art. 490 S. 2 Nr. 3 c.c.) führt, hat die einfache Annahme die Verschmelzung des eigenen und des ererbten Vermögens und die unbeschränkte Haftung mit dem Gesamtvermögen für Erblasser- und Erbfallschulden einschließlich Vermächtnissen zur Folge. Ist der Annehmende pflichtteilsberechtigt, so verliert er nach Maßgabe von Art. 564 c.c. das Recht auf Herabsetzung gewisser pflichtteilsbeeinträchtigender Zuwendungen.
Rz. 231
Beide Annahmen setzen grundsätzlich eine Willenserklärung voraus. Eine Ausnahme gilt gem. Art. 485 c.c. für die Fälle der gesetzlichen Fiktion der Annahme (siehe Rdn 233 f.). Diese wird auch als "dritte" Form der Annahme angesehen.
b) Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung
Rz. 232
Die Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung (accettazione con beneficio di inventario) bedarf einer Erklärung vor einem Notar oder dem cancelliere del Tribunale, dem Urkundsbeamten des Gerichts, in dessen Bezirk der Erbfall eingetreten ist (Art. 484 Abs. 1 c.c.). Gemäß Art. 484 Abs. 1 c.c. ist sie in das beim Tribunale geführte Erbschaftsregister, und, soweit sich Immobilien oder Immobiliarrechte im Nachlass befinden, vom cancelliere auch von Amts wegen in das Immobilienregister des gleichen Ortes einzutragen (Art. 484 Abs. 2 c.c.). Damit die Wirkungen eintreten, muss das Inventar nach den Bestimmungen der Art. 769 ff. c.p.c. vor oder nach der Annahme errichtet w...