Rz. 4

Da aus italienischer Sicht der Begriff der residenza ebenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort Bezug nimmt, ergeben sich insoweit grundsätzlich keine Auslegungs- und Anpassungsprobleme, wenn auch der Begriff autonom auszulegen ist.

 

Rz. 5

Definiert wird die "residenza" im Codice civile als "Ort, an dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat" (Art. 43 Abs. 2 c.c.). Zwar reicht nach italienischem Recht als Beweis für die "residenza" in Italien der förmliche Akt der Anmeldung aus.[4] Allerdings stellt die Anmeldung in einem Registro dell’Anagrafe in Italien eine einfache Vermutung (sog. presunzione semplice) dar. Ein abweichender tatsächlicher gewöhnlicher Aufenthalt kann mit jedem Mittel bewiesen werden; entscheidend ist die umfassende Würdigung der Lebensumstände des Erblassers: Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie die besonders enge und feste Bindung zum betreffenden Staat.[5]

 

Rz. 6

Die autonome Auslegung des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" nach den Begründungen 23 und 24 EuErbVO wird sicher noch viele Jahre der Klärung in Anspruch nehmen. Die bereits viel diskutierten Fälle der Grenzpendler, Manager, Studenten, Diplomaten und Pflegefälle sind bekannt. Der Verweis von Art. 21 EuErbVO auf das Recht des Staates, mit dem der Erblasser die engsten Verbindungen hatte, lässt subjektive Elemente bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts eher in den Hintergrund treten.[6]

 

Rz. 7

Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt hilft, Abgrenzungs- und Koordinationsprobleme zwischen Erbstatut und deutschem Güterrechts- bzw. Sachstatut sowie im Rahmen der Nachlassabwicklung zwischen dem italienischen Erbstatut und dem deutschen Verfahrensrecht zu vermeiden.

[4] Priemer, MittRhNotK 2000, 45, 47 m.w.N.
[5] So Consiglio di Stato, 9 November 2011, n. 5918, juris data. Zuletzt Cass., 5811/15. Relevant wird in der Zukunft auch die neue Formulierung von Art. 316 Abs. 1 S. 1 c.c., wonach die Eltern den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder gemeinsam zu bestimmen haben. Das deutet darauf hin, dass nicht nur ein Konsens beider Eltern, sondern auch ein rechtsgeschäftlicher Wille notwendig ist, um den gewöhnlichen Aufenthalt eines Minderjährigen zu begründen.
[6] Damascelli, in: Franzina/Leandro, Il diritto internazionale privato europeo delle successioni mortis causa, 2013, S. 87, 95.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge