Rz. 148
Für die Berechnung der Pflichtteilshöhe ist zunächst das Reinvermögen des Erblassers (Gesamtvermögen des Erblassers abzgl. Erblasser- und Erbfallschulden[214]) zum Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zu ermitteln.[215] Eingerechnet werden auch unentgeltliche Zuwendungen (bei gemischten Schenkungen der unentgeltliche Anteil)[216] des Erblassers zu seinen Lebzeiten (sog. riunione fittizia, Art. 556 c.c.), gleichgültig, wann diese Zuwendung erfolgte.[217] Eine zeitliche Befristung für die Einbeziehung von Schenkungen existiert, anders als im deutschen Recht (vgl. § 2325 BGB), nicht. Ebenso muss zum Zeitpunkt der Schenkung die Pflichtteilsberechtigung noch nicht bestanden haben.[218] Aus diesem Gesamtwert wird anschließend der frei verfügbare Anteil des Erblassers prozentmäßig bestimmt. Die testamentarischen Verfügungen und die Schenkungen, die über den frei verfügbaren Anteil hinausgehen, unterliegen der Kürzung bis zu diesem Anteil.[219]
Rz. 149
Ist der Pflichtteilsberechtigte selbst Erbe oder hat er Vermächtnisse oder Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers erhalten, hat er sich deren Wert auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt (Art. 564 c.c.). Durch die Anordnung der Nichtanrechnung durch den Erblasser kann der Pflichtteilsberechtigte die Ergänzung seines Pflichtteils zu Lasten der Vermächtnisnehmer bzw. zu Lasten von lebzeitigen Zuwendungsempfängern von diesen (nicht von den Erben) verlangen; er behält also das ihm Zugewandte und kann zusätzlich die Pflichtteilsergänzung verlangen, es sei denn, die anderen Bedachten sind ebenfalls pflichtteilsberechtigt. Die Anordnung der Nichtanrechnung wirkt allerdings nicht zu Lasten der früher Beschenkten (Art. 564 c.c.). Somit wird verhindert, dass mit der Anordnung der Nichtanrechnung späterer Schenkungen frühere Schenkungen nachträglich wirkungslos werden.[220]
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