Rz. 150

Die Pflichtteilberechtigten werden nicht ipso jure mit dem Erbfall zu Erben entsprechend ihrer Quote. Sie[221] müssen vielmehr eine sog. Herabsetzungsklage (azione di riduzione) gegen Erben, Vermächtnisnehmer und Beschenkte vor Gericht[222] erheben, damit die testamentarischen Verfügungen bzw. Schenkungen bis zur Befriedigung der Pflichtteilsquote verhältnismäßig gekürzt werden. Die Durchsetzung des Pflichtteilsrechts erfolgt mittels drei verschiedener Klagen:

azione di riduzione in senso stretto (um die Unwirksamkeit[223] der testamentarischen Zuwendungen und Schenkungen, die über die quota disponibile hinausgehen, zu erreichen);
azione di restituzione contro i beneficiari delle disposizioni testamentarie ridotte; und
azione di restituzione contro i terzi acquirenti (Art. 563 Abs. 1 c.c. zur Herausgabe der für unwirksam erklärten Zuwendungen gegen die testamentarisch Begünstigten bzw. gegen Dritterwerber).[224]
 

Rz. 151

Ist der Pflichtteilsberechtigte zu einem unter seiner Pflichtteilsquote liegenden Anteil (testamentarisch oder kraft Gesetzes) Erbe geworden, ist Voraussetzung für die Erhebung der Herabsetzungsklage, dass er die Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung angenommen hat, es sei denn, der Erblasser hat nur Miterben mit Schenkungen oder Vermächtnissen bedacht (Art. 564 Abs. 1 c.c.).[225] Die Herabsetzungsklage bewirkt hier eine Anpassung seiner Erbquote (testamentarische Quote und Noterbrecht).[226] Der Vorbehalt der Inventarerrichtung bildet dagegen nach h.M. keine Voraussetzung für die Erhebung der Herabsetzungsklage für den noch nicht als Erbe berufenen Pflichtteilsberechtigten.[227] Die Herabsetzungsklage ist nicht notwendig, wenn die Erbquote dadurch beeinträchtigt ist, dass der Erblasser sie mit Auflagen und Bedingungen belastet hat. Gemäß Art. 549 c.c. sind solche Auflagen und Bedingungen unwirksam.

 

Rz. 152

Das italienische Recht kennt kein Recht des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunftserteilung wie das deutsche Recht. Das Recht auf Herabsetzung verjährt in zehn Jahren[228] ab Annahme der Erbschaft.[229]

[221] Gemäß Art. 557 Abs. 1 c.c. auch deren Erben und Rechtsnachfolger sowie gem. Art. 2900 c.c. auch die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten; vgl. Capozzi, Successioni e donazioni, I, S. 537 ff.
[222] Ab 17.8.2015 richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 4 ff. EuErbVO. Im Sonderfall des Art. 553 c.c. ist strittig, ob es einer gerichtlichen Durchsetzung bedarf oder ob eine einfache Erklärung der Pflichtteilsberechtigten genügt, vgl. Palazzo, Le successioni, in: Iudica/Zatti (Hrsg.), Trattato di diritto privato, 2000, S. 570 f.; Gabrielli, Familienbeziehungen und Testierfreiheit in der Erbfolge nach italienischem Recht, in: Henrich/Schwab, Familienerbrecht, S. 137.
[223] Es handelt sich um eine relative (Cass. 05/27414), ex nunc (Cass. 03/9424) wirkende Unwirksamkeit zugunsten desjenigen, der die Klage erhoben hat (Cass. 06/2858, Dir. giust. 2006, 16, 35).
[224] Dazu Moncalvo, Sulla natura giuridica dell’azione di riduzione Familia 2004, S. 177.
[225] Reiß, Internationales Erbrecht Italien, Rn 335; Reiß, ZEV 2005, 148, 150; keiner Annahme bedarf es bei völliger Enterbung (Cass. 11/28632, Fam. pers. succ. 2012, 448) oder wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar Erbe ist, der Erblasser aber sein gesamtes Vermögen schon zu Lebzeiten verschenkt hat (Cass. 10/240, Riv. not. 2011, 179).
[226] Arg. aus Art. 564 c.c.; Bianca, Diritto civile, 2.2., Le successioni, S. 462; Hausmann/Trabucchi, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Italien Grdz. Rn 491; Jayme, JbfItalR 177, 181.
[227] Capozzi, Successioni e donazioni, I, S. 541.
[228] Str., aber wohl h.M., vgl. Capozzi, Successioni e donazioni, I, S. 552 f.; Gabrielli, Familienbeziehungen und Testierfreiheit in der Erbfolge nach italienischem Recht, in: Henrich/Schwab, Familienerbrecht, S. 137; Cass. 88/5731; Trib. Nocera Inf., 13/1178.
[229] So Cass. S.u. 04/20644, Guida al diritto 2004, n. 44, 14, wenn die "Pflichtteilsverletzung" aus einem Testament hervorgeht; ab Eröffnung der Erbschaft bei "Pflichtteilsverletzung" infolge Schenkungen. Gegen Cass. 99/5920 (Fristlauf ab Testamentseröffnung); vgl. Capozzi, Successioni e donazioni, I, S. 553 ff.; weiter Reiß, Internationales Erbrecht Italien, Rn 339; Hausmann/Trabucchi, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Italien Grdz. Rn 488.

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