Rz. 160

Die Ehescheidungsgründe (materielle Scheidungsvoraussetzungen) sind in den Art. 1 und 3 l. div. geregelt, wobei Art. 1 in einer Generalklausel das Zerrüttungsprinzip als einzigen Scheidungsgrund nennt, während Art. 3 gesetzliche Vermutungsregeln enthält, wann von einer Zerrüttung der Ehe auszugehen ist. Art. 1. l.div. setzt voraus, dass die geistige und materielle Gemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht mehr besteht (aufrechterhalten) und auch nicht wiederhergestellt werden kann. Art. 3 l. div. knüpft die Ehescheidung an das Vorliegen von zumindest einem der dort genannten Gründe.

 

Rz. 161

Der weitaus wichtigste Scheidungsgrund ist die – gerichtlich oder außergerichtlich – festgestellte Trennung. Die Trennungsfrist beträgt bei streitiger Scheidung ein Jahr und bei einvernehmlicher Scheidung sechs Monate (bislang je drei Jahre).[212]

In den übrigen genannten Fällen handelt es sich um Sonderfälle, die in der Praxis sehr selten vorkommen. Zu diesen Sonderfällen gehören:

die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten (auch vor der Ehe begangener) zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 15 Jahren;
die Verurteilung für gegen den Ehegatten oder Kinder gerichtete Straftaten (wegen sexueller Nötigung, Prostitution, lebensbedrohender Angriffe = reati contro la libertà sessuale in danno di un discendente, reati in materia di prostituzione in danno di un coniuge o di un discendente, reati contro la vita in danno del coniuge o di un discendente, reati contro l’incolumità personale, reati contro l’assistenza familiare);
der Freispruch von einer Straftat in vorstehendem Sinn wegen Unzurechnungsfähigkeit oder Einstellung des Verfahrens;
die Auflösung der Ehe im Ausland oder das Eingehen einer neuen Ehe im Ausland; sowie
die Nichtvollziehung der Ehe und die Berichtigung der Geschlechtszugehörigkeit.
 

Rz. 162

Das Vorliegen der Gründe muss sich entweder aus einem rechtskräftigen Urteil oder einer Trennungsvereinbarung gem. Gesetz vom 10.11.2014, Nr. 162 (siehe Rdn 181) ergeben. Das bedeutet, dass z.B. im Fall des Art. 3 Nr. 2 lit. b l. div. die rein faktische, auch mehrjährige Trennung für den Ausspruch der Scheidung nicht ausreicht.[213] Als automatischer Scheidungsgrund gilt ein Urteil über die Berichtigung der Geschlechtszugehörigkeit.[214]

[212] Gesetz vom 6.5.2015, Nr. 55. Die neuen Fristen gelten auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (26.5.2015) bereits anhängige Verfahren (Art. 3 des Gesetzes Nr. 55/2015).
[213] A.A. ist ein Teil der Lehre; diese sieht die Aufzählung der in Art. 3 l. div. genannten Gründe als abschließend an. Diese Auffassung vermag aber nicht zu überzeugen, weil Art. 1 l. div. als Grundnorm anzusehen ist und Art. 3 l. div. "nur" Vermutungsregeln enthält.
[214] Str.; für die automatische Auflösung: Trib. Modena, 26.5.2011, PFS 2011, 793. Das Verfahren zur Berichtigung der Geschlechtszugehörigkeit wurde durch G. 150/2011 reformiert. Dort ist eine automatische Auflösung der Ehe vorgesehen. Die Rechtsfolgen können vertraglich oder gerichtlich festgelegt werden. Die Regelung der automatischen Auflösung der Ehe wurde für verfassungswidrig erklärt, soweit sie keine Möglichkeit einer anderweitigen Regulierung der Partnerschaft vorsah (Corte Cost., 11.6.2014, n. 170, NGCC 2014, 12, 20553. Siehe jetzt Art. 1 Abs. 27 des Gesetzes vom 20.5.2016, Nr. 76, demnach die Berichtigung der Geschlechtszugehörigkeit die automatische Umwandlung der Ehe in eine unione civile als Folge hat, es sei denn, die Ehegatten entscheiden sich für die Auflösung der Ehe.

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