Rz. 211

Die Kriterien zur Feststellung der Höhe des assegno di divorzio sind in Art. 5 Abs. 6 l. div. aufgeführt. Der Gesetzgeber hat auf die Festlegung einer bestimmten Höhe bzw. eines bestimmten Prozentsatzes verzichtet, sondern nur allgemeine Kriterien zur Bestimmung der Höhe des assegno di divorzio genannt. Es gelten in Italien weder der Halbteilungsgrundsatz noch bestimmte Tabellen vergleichbar der Düsseldorfer Tabelle.

 

Rz. 212

Neben den bisher schon maßgebenden ehelichen Lebensverhältnissen einschließlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den Entscheidungsgründen für die Trennung und dem persönlichen und wirtschaftlichen Beitrag des berechtigten Ehegatten zu den bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist nunmehr auch die Ehedauer als neues Kriterium heranzuziehen.[244]

 

Rz. 213

Verhältnisse der Ehegatten. Das erste in Art. 5 Abs. 6 l. div. angesprochene Kriterium ist die condizioni dei coniugi. Das Gericht muss somit neben dem verfügbaren Einkommen auch das Alter, den Gesundheitszustand, die soziale Stellung, die berufliche Ausbildung und die Arbeitsfähigkeit jeweils beider Ehegatten berücksichtigen. Das Gericht muss darüber hinaus auch eventuelle weitere – nicht vorrangige – Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern, früheren Ehegatten und sonstigen Verwandten und bestehende Betreuungspflichten und Sorgerechte berücksichtigen; ebenso hat das Gericht eventuelle dauerhaft, also nicht nur vorübergehend gewährte wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen durch Verwandte oder einen neuen Lebenspartner zu berücksichtigen.[245]
Gründe der Entscheidung. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die Gründe der Entscheidung sich lediglich auf die Frage beziehen, welche Gründe nach Art. 3 l. div. zur Scheidung geführt haben. In der Rspr. herrscht aber die Auffassung vor, dass aufgrund dieses Kriteriums nicht nur die Gründe für die Scheidung nach Art. 3 l. div., sondern letztlich alle maßgebenden Gründe und Indizien für das Scheitern der Ehe, also sowohl die Gründe, die zur Trennung geführt haben, als auch das nachträgliche Verhalten eines oder beider Ehegatten, die die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft verhindert haben, heranzuziehen sind.[246]
Persönliche und wirtschaftliche Mitwirkung. Zur Ermittlung des Umfangs der persönlichen und wirtschaftlichen Mitwirkung ist nach dem Gesetzeswortlaut die tatsächliche Mitwirkung eines und/oder beider Ehegatten zur Lebensgemeinschaft und zur Vermögensbildung, gleichgültig, ob es sich um das gemeinsame Vermögen oder um das Vermögen nur eines Ehegatten handelt, zu verstehen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um einen finanziellen Beitrag oder um einen bloß ideellen Beitrag handelt; es reicht auch aus, dass der Beitrag die Ausübung der Berufstätigkeit oder die berufliche Perspektive eines Ehegatten befördert hat, z.B. indem ein Ehepartner freiwillig den Haushalt führt und dem anderen Ehegatten daher die berufliche Karriere ermöglicht. Entscheidend ist allein, ob der Beitrag die gesamten ehelichen Verhältnisse gefördert hat. Der jeweils maßgebliche Beitrag muss also konkret ermittelt werden. Während die Lehre für die Ermittlung des maßgeblichen Beitrags nur auf die Zeit des tatsächlichen Zusammenlebens abstellt, zieht die Rspr. auch die Zeit nach einer Trennung heran.[247] Insbesondere wird auch die Kinderbetreuung durch einen Ehegatten während der Trennung noch als zu berücksichtigende Mitwirkung angesehen.
Beiderseitiges Einkommen. Obwohl in der früheren Gesetzesfassung ausdrücklich von sostanze (Einkommens- und Vermögensverhältnisse) die Rede war, während die Neufassung nur noch vom Einkommen beider Ehegatten spricht, ist materiellrechtlich nach h.L. und Rspr. mit diesem unterschiedlichen Gesetzestext keine inhaltliche Änderung verbunden.[248] Unter Einkommen sind sämtliche Einkünfte und Vermögenswerte zu verstehen, die die Ehegatten beziehen bzw. besitzen.[249] Das Nettoeinkommen aus unselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit einschließlich etwaiger Zulagen, Zins- und Mieteinkünfte etc. Auch derzeit ertragslose Vermögenswerte, wie z.B. eine leer stehende Eigentumswohnung, sind zu berücksichtigen.[250]
Ehedauer. Art. 5 Abs. 6 l. div. sieht vor, dass alle vorstehenden Kriterien auch unter Berücksichtigung der Ehedauer bewertet werden müssen. Die Ehedauer ist somit kein selbstständiges Kriterium, sondern beeinflusst mittelbar die anderen Kriterien.[251] Das sei an einem Beispiel verdeutlicht: Auch wenn die Ehe bereits zwanzig Jahre gedauert hat, der berechtigte Ehegatte aber zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur ehelichen Vermögensbildung in dieser Zeit keinen relevanten Beitrag geleistet hat, steht ihm allein aufgrund der langen Ehedauer kein höherer Anspruch zu.[252]
[244] Al Mureden, FD 2011, 456 ff. Nach Cass., 12.7.2007, n. 15611, FD 2007, 1091 können die Gesamtumstände den Unterhaltsanspruch ganz ausschließen.
[245] Siehe Cass., 17.10.1989, n. 4158, GI 1990, I, 1, 587; Cass., 28.6.2007, n. 14921, FD 2008, 257.
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