Dr. Anton Wiedemann, Dr. Tereza Pertot
a) "Befreibare" und "nicht befreibare" Eheverbote
Rz. 11
Die Eheverbote unterscheiden sich in "befreibare" (dispensabili) Eheverbote bei
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Minderjährigkeit ab 16 Jahre |
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Beweis einer nicht bestehenden Schwangerschaft durch den früheren Ehemann |
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Verwandtschaft in Seitenlinien ab dem dritten Grad |
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Schwägerschaft in Seitenlinien ab dem zweiten Grad |
und in "nicht befreibare" Eheverbote bei
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Minderjährigkeit unter 16 Jahren |
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Entmündigung (dichiarazione giudiziale di interdizione) |
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Doppelehe |
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vorübergehendem Verbot einer neuen Eheschließung |
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Verurteilung wegen vollendeten oder versuchten Totschlags des früheren Ehegatten des anderen künftigen Ehegatten, |
je nachdem, ob eine Befreiung durch gerichtliche Genehmigung möglich ist oder nicht. Bei "befreibarem" Eheverbot (impedimenti dispensabili) wird die Befreiung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft durch eine Genehmigung (autorizzazione) vom Gericht durch Beschluss erteilt.
Rz. 12
Bezüglich der Gültigkeit der Eheschließung unterscheidet man drei Gruppen: 1. Voraussetzungen für das Bestehen einer Eheschließung, 2. Gültigkeitsvoraussetzungen (impedimenti dirimenti) und 3. Voraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit (impedimenti impedienti).
Rz. 13
Die Ehehindernisse bilden meistens Eheverbote; sie gelten aber auch als Eheschließungsverbote. Hat der Standesbeamte Kenntnis von einem Ehehindernis, darf die Eheschließung nicht stattfinden. Findet die Eheschließung gleichwohl statt, wandeln sie sich in Anfechtungsgründe um. Die Ehehindernisse gelten auch für die Konkordatsehe und führen zur Nichtigkeit der Eintragung.
Rz. 14
Die Ehehindernisse gelten als Ungültigkeitsgründe und führen zu gesondert geregelten Nichtigkeits- und Anfechtbarkeitsklagen, die aber in den Wirkungen nur wenig voneinander abweichen. Der Hauptunterschied besteht in der Möglichkeit der Bestätigung der anfechtbaren Ehe (convalida del matrimonio annullabile).
b) Nichtigkeit ipso iure (inesistenza)
Rz. 15
Die italienische Rechtsordnung enthält keine ausdrückliche Norm über die Nichtigkeit ipso iure der Eheschließung. Neben der Klage auf Nichtigkeit und Anfechtbarkeit kennt man die Feststellungsklage (azione di accertamento) des Nichtbestehens der Ehe (inesistenza del matrimonio), wobei keine h.M. besteht über die Gründe, die eine solche Klage rechtfertigen. Eine Meinung hält sie bei Missachtung der Formvoraussetzungen, die andere bei Fehlen des Inhalts einer Ehe für gegeben. Ausgeschlossen wird allerdings eine Nichtigkeit ipso iure, wenn der Mindestanschein einer Ehe gegeben ist und dies einen besonderen Schutz des Ehegatten und der Kinder begründet. Somit ist in der Praxis die Nichtigkeit ipso iure als Randfigur zu betrachten.
c) Anfechtbarkeit (nullità e annullabilità)
Rz. 16
Die Anfechtung oder Nichtigkeit richtet sich auf die Eheschließung. Sie hindert eine Auflösung der Ehe durch Scheidung, während sie ausgesprochen werden kann trotz der Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten. Die Klage darf vom Erben eines Ehegatten weitergeführt, aber nicht eingeleitet werden (Art. 127 c.c.).
Rz. 17
Trotz minimaler Unterschiede in der Ausführung bleibt noch die Unterscheidung zwischen Nichtigkeits- und Anfechtbarkeitsgründen. Zur Nichtigkeit führen:
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Doppelehe und Doppelehe wegen irrtümlicher Erklärung der Todesvermutung; |
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Blutsverwandtschaft zwischen Aszendenten und Abkömmlingen in gerader Linie, leiblichen Geschwistern und Halbgeschwistern, sei es von mütterlicher oder väterlicher Seite, Schwägerschaft in gerader Linie (Art. 87, n. 1, 2, 4, 6, 7, 8, 9); |
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Verbrechen (Art. 88 c.c.). |
Rz. 18
Zur Anfechtbarkeit führen:
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Minderjährigkeit (Art. 84); |
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Entmündigung (Art. 85); |
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Geschäftsunfähigkeit (Art. 120); |
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Verwandtschaft, Schwägerschaft, Adoption (Art. 87, n. 3); |
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Willensmängel (Gewalt, Furcht, Irrtum über bestimmte Eigenschaften wie Krankheit, Straftaten, Schwangerschaft, Art. 122 c.c.). Die Klagebefugnis verjährt nach einjährigem Zusammenleben seit Beendigung der Gewalttat oder Entdeckung des Irrtums. |
Rz. 19
Selbstständiger Anfechtungstatbestand ist die Scheinehe (Art. 123 c.c.). Die Eheschließung ist zunächst wirksam, aber auf Antrag eines Ehegatten binnen eines Jahres seit Eheschließung aufhebbar, es sei denn, die Eheleute haben nach der Eheschließung (auch für kurze Zeit) als Ehegatten gelebt (Art. 123 Abs. 2 c.c.).
Rz. 20
Das Zivilgesetzbuch sieht unterschiedliche Voraussetzungen für die Klagebefugnis vor. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Erben klagebefugt (Art. 126 c.c.). Die Nichtigkeitserklärung und die Anfechtung der Ehe entfalten Rückwirkung. Die Abkömmlinge behalten ihren Status als eheliche Kinder, es sei denn, die Ungültigkeit der Ehe beruht auf Doppelehe oder Inzest (Art. 128 Abs. 4 c.c.). Als vermögensrechtliche Folge bewirkt die Ungültigkeitserklärung auch die Ungültigkeit der ehebedingten Schenkungen, während die zur Erfüllung ehelicher Rechten und Pflichten erbrachten Leistungen unberührt bleiben. Der gesetzliche Güt...