Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
1.1.2.1 Erweiterung der Kommanditistenrechte
Rz. 201
Die gesetzlichen Regeln zur Geschäftsführungsbefugnis sind weitgehend dispositives Recht. In der Praxis werden sie daher häufig durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen abgeändert bzw. konkretisiert.
Rz. 202
Die Stellung der Kommanditisten, die nach der gesetzlichen Ausgestaltung sehr viel schwächer ist als die der Komplementärin, kann durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag aufgewertet werden. Dem einzelnen Kommanditisten kann ein Widerspruchsrecht analog § 115 Abs. 1 HGB eingeräumt werden. Bestimmte Geschäfte können von seiner Zustimmung abhängig gemacht werden. In der Regel enthält der Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG einen Katalog von Geschäftsführungsmaßnahmen, die der (mehrheitlichen) Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen. So werden beispielsweise der Erwerb, die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Aufnahme von langfristigen Krediten, die Einstellung von Mitarbeitern ab einem gewissen Gehaltsvolumen von der Zustimmung der Kommanditisten abhängig gemacht.
Rz. 203
Ein Komplementär kann vertraglich im Innenverhältnis in seiner Geschäftsführungsbefugnis derart eingeschränkt werden, dass er nur aufgrund von Weisungen aller oder eines einzelnen Kommanditisten handeln darf. Er kann sogar von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden, und diese kann dann von einem oder mehreren Kommanditisten wahrgenommen werden. Kommanditisten – die in diesem Fall meistens noch mit einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht ausgestattet werden – können auf diese Weise eine beherrschende Stellung innerhalb einer KG erlangen und zum eigentlichen Leiter des Unternehmens werden. In einer GmbH & Co. KG besteht jederzeit die Möglichkeit, einen Kommanditisten zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu bestellen und ihn auf diese Weise zum Leiter des Unternehmens zu machen. Aus diesem Grund ist eine derartige vertragliche Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse innerhalb der KG für die GmbH & Co. KG zivilrechtlich ohne praktische Bedeutung. Allerdings kann es steuerrechtlich relevant sein, mindestens einem Kommanditisten im Innenverhältnis Geschäftsführungsbefugnis zu erteilen, um die KG zu "entprägen".
1.1.2.2 Einschränkung der Kommanditistenrechte
Rz. 204
Die Mitverwaltungsrechte der Kommanditisten können auch über die gesetzliche Regelung hinaus eingeschränkt werden. Eine solche zulässige Einschränkung liegt z. B. vor, wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Komplementär-GmbH zur Vornahme ungewöhnlicher Geschäfte nicht der Zustimmung der Kommanditisten bedarf oder dass für einen Zustimmungsbeschluss gemäß §§ 116 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB die einfache Mehrheit genügt.
Rz. 205
Eine Grenze für gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklauseln ergibt sich aus dem Bestimmtheitsgebot. Dieser Grundsatz besagt, dass die Mehrheitsklausel den Gegenstand möglicher Mehrheitsbeschlüsse hinreichend bestimmt festlegen muss. Überwiegend wurdeder Bestimmtheitsgrundsatz dahingehend verstanden, dass die Gegenstände möglicher Mehrheitsentscheidung bereits im Gesellschaftsvertrag in Katalogform erkennbar sein müssen. Der BGH hat den Bestimmtheitsgrundsatz jedoch mittlerweile stark relativiert. In der sog. Otto-Entscheidung stellte der BGH klar, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nicht so zu verstehen sei, dass eine Mehrheitsklausel stets die betroffenen Beschlussgegenstände minutiös auflisten müsse. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlange lediglich eine Verankerung der Mehrheitsmacht im Gesellschaftsvertrag. So soll es genügen, wenn sich auch nur durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergibt, dass der in Frage stehende Beschluss der Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll. Die Grundlagen der Gesellschaft berührende oder in Rechtspositionen der Gesellschafter (d. h. in den Kernbereich) eingreifende Maßnahmen sind dagegen nur mit – zumindest antizipiert im Gesellschaftsvertrag erteilter – Zustimmung eines jeden Gesellschafters zulässig. So ist etwa eine nachträgliche Lastenvermehrung (vgl. § 707 BGB Verpflichtung zu Nachschüssen) nach wie vor an eine eindeutige entsprechende Legitimationsgrundlage im Gesellschaftsvertrag geknüpft. Dagegen hat der BGH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung in der sog. Otto-Entscheidung festgestellt, dass die Bilanzfeststellung grundsätzlich kein kernbereichsrelevantes Grundlagengeschäft sei und daher eine pauschale Mehrheitsklausel ausreiche.
Allerdings sind Mehrheitsentscheidungen, die in die Rechtsstellung eines überstimmten Gesellschafters eingreifen, auch bei ausreichend bestimmter Zulassung nicht unbegrenzt zulässig. Wenn nämlich auf einer ersten Stufe festgestellt ist, dass die Gesellschafter zwar formell zur Mehrheitsentscheidung legitimiert sind und die hierzu ermächtigende Klausel im Gesellschaftsvertrag also bestimmt genug ist, ist auf zweiter Stufe weiter zu prüfen, ob der Beschluss auch inhaltlich wirksam ist. Schlechthin unverzichtbare...