Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
Rz. 326
Nicht nur im juristischen Schrifttum wird die Frage diskutiert, ob die beschränkte Haftung des Kommanditisten auch aufgrund eines Haftungsdurchgriffs wegen Unterkapitalisierung der GmbH & Co. KG entfallen kann. Eine Gesellschaft ist (materiell, nicht formell) unterkapitalisiert, wenn die Gesellschafter sie mit völlig unzureichenden Mitteln ausstatten, die in keiner Weise dem wirtschaftlichen Risiko der Gesellschaft entsprechen. Zwischen dem Finanzbedarf der Gesellschaft, der sich aus Art und Umfang der beabsichtigten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit ergibt, und dem haftenden Eigenkapital dürfe kein Missverhältnis bestehen, da anderenfalls das wirtschaftliche Risiko allein auf die Gläubiger der Gesellschaft abgewälzt wird.
Rz. 327
Die Rechtsprechung des BGH steht einer solchen gesellschaftsrechtlichen Haftung ablehnend gegenüber. Die Unterkapitalisierung begründe für sich allein genommen noch keinen Haftungsdurchgriff. Zwar gibt es auch Entscheidungen anderer Gerichte, in denen ein Durchgriff gegen einen Gesellschafter wegen Unterkapitalisierung grundsätzlich anerkannt wurde. Sie enthalten jedoch keine verallgemeinerungsfähigen Grundsätze, die sich auf eine Durchgriffshaftung gegen Kommanditisten einer GmbH & Co. KG übertragen lassen. Immer waren besondere Umständ des Einzelfalls für die Haftung der Gesellschafter entscheidend bzw. wurde die Frage offen gelassen, ob die fehlende Kapitalausstattung allein ausreicht, um einen Haftungsdurchgriff gegen einen Gesellschafter zu begründen, da noch weitere Umstände vorlagen, die zusammen mit der Unterkapitalisierung den Missbrauchstatbestand erfüllten. Eine mangelhafte Finanzausstattung der von Gesellschaftern betriebenen GmbH hat haftungsrechtlich somit seine Grenze lediglich im Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB), namentlich in dem Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Gläubiger i.;S. d. § 826 BGB. § 826 BGB kommt immer dann in Betracht, wenn die Gesellschafter mit einem eindeutig unzureichenden Stammkapital und ohne Gesellschafterdarlehen besonders riskante Geschäfte auf Kosten der Gläubiger betreiben.
In diesem Zusammenhang hat der BHG mit seinem Trihotel-Urteil v. 16.7.2007 die sog. Existenzvernichtungshaftung auf eine neue dogmatische Grundlage gestellt. Anknüpfungspunkt für diese Haftung ist ein rechtsmissbräuchlicher Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen, der zur Insolvenz der Gesellschaft führt. Dieser Eingriff begründet einen Anspruch gemäß § 826 BGB der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, wenn der Gesellschafter vorsätzlich handelt. Der Gesellschafter handelt vorsätzlich, wenn er die Insolvenz der Gesellschaft als Folge seines Angriffs voraussieht und diese billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz). Rechtsfolge ist eine Schadensersatzhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus § 826 BGB. Es handelt sich hierbei expressis verbis um einen Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird.
Rz. 328
§ 826 BGB kommt immer dann in Betracht, wenn die Gesellschafter mit einem eindeutig unzureichenden Stammkapital und ohne Gesellschafterdarlehen besonders riskante Geschäfte auf Kosten der Gläubiger betreiben.
Rz. 329
Zu beachten ist auch § 15a Abs. 3 InsO, der den Gesellschaftern einer GmbH im Falle ihrer Führungslosigkeit (weil der Geschäftsführerposten vakant ist), eine Insolvenzantragspflicht aufbürdet. Die Nichtbeachtung dieser Insolvenzantragspflicht führt ebenfalls zur Haftung den Gläubigern gegenüber.