Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
Rz. 727
Der Rangrücktritt ist ein Vertrag (keine einseitige Erklärung), durch den der Gläubiger seinen Anspruch auf Leistung – bis zur Überwindung der Krise der Gesellschaft – hinter die Forderungen aller gegenwärtigen und künftigen Gläubiger subordiniert und Erfüllung nur noch aus seinem künftigen Gewinn, Liquidationsüberschuss und/oder sonstigem freien Vermögen der Gesellschaft begehrt (Besserungsabrede). Ziel eines Rangrücktritts ist es, den Eintritt einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) zu vermeiden oder – falls diese bereits eingetreten ist – zu beseitigen. Mit Urteil v. 5. März 2015 (IX ZR 133/14) hat der (Insolvenzrechts-) Senat des Bundesgerichtshofes die Anforderungen an einen Rangrücktritt und seine Rechtsfolgen konkretisiert.
Für die Prüfung, ob eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn bereits eingetreten ist, ist die Aufstellung eines gesonderten Überschuldungsstatus erforderlich. Die Fragen, unter welchen Voraussetzungen ein Ansatz der mit einem Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeit in dieser insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz vermieden werden kann, sind nach der vorgenannten Entscheidung des BGH (IX ZR 133/14) weitgehend geklärt. Der BGH definiert die Anforderungen, die an den Inhalt einer wirksamen Rangrücktrittsvereinbarung zu stellen sind, und differenziert dabei nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 und der danach gültigen Rechtslage.
Bis zum Inkrafttreten des MoMiG galten die Anforderungen aus den §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO. Danach musste sich die Rangrücktrittsvereinbarung auf den Zeitraum von und nach der Insolvenzeröffnung erstrecken und der Rangrücktritt war als rechtsgeschäftliches Zahlungsverbot des Inhalts auszugestalten, dass die Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger (38 InsO) befriedigt werden durfte. Vor diesem Hintergrund brauchte eine Forderung nach der Rechtsprechung nicht passiviert zu werden, wenn der Gläubiger aufgrund eines qualifizierten Rangrücktritts erklärt hatte, er wolle wegen der Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und – bis zur Abwendung der Krise – auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt, also behandelt werden, als handele es sich bei dem Darlehen um statutarisches Kapital. Diese Anforderungen an den Inhalt einer Rangrücktrittsvereinbarung gelten auch auf der Grundlage des durch das MoMiG umgestalteten Rechts (§ 19 Abs. 2 Satz 2, § 39 Abs. 2 InsO). Abweichend von den zum alten Recht geltenden Grundsätzen kann die Erklärung aber darauf beschränkt werden, hinter die Forderungen aus § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO zurückzutreten, ohne darüber hinaus eine Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen zu vereinbaren.
Wesentlich ist, dass der Rangrücktritt auch den Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen muss. Der BGH (IX ZR 133/14) stellt weiter dar, ob und mit welcher Wirkung eine nachträgliche Änderung einer Rangrücktrittsvereinbarung, insbesondere eine Aufhebung, möglich und zulässig ist.
Der BGH kommt zu dem klaren Ergebnis, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB), der zum Vorteil aller Gläubiger des Schuldners Rechte begründet, nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Forderungsgläubiger aufgehoben werden kann. Die von einem Rangrücktritt erfasste Forderung darf jedoch aus freiem Vermögen der Schuldnerin beglichen werden. Ein Recht der Gläubiger wird folglich nicht begründet, wenn eine zur Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten genügende Vermögensmasse vorhanden ist. Mithin ist eine Aufhebung einer Rangrücktrittserklärung ohne Mitwirkung der Gläubiger zulässig, wenn eine Insolvenzreife der Schuldnerin nicht vorliegt oder beseitigt ist. § 19 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit § 39 Abs. 2 InsO, die sich nach ihrem Wortlaut nur mit dem Rangrücktritt eines Gesellschafterdarlehensgebers befassen, sind auch auf einen Rangrücktritt außenstehender Gläubiger anwendbar.
Rz. 728
Nach der Rechtsprechung des I. und IV. Senats des BFH (v. 15.4.2015, I R 44/14, v. 10.8.2016, I R 25/15) und dem BMF-Schreiben v. 8.9.2006 bleibt steuerlich eine Verbindlichkeit, für die ein Rangrücktritt vereinbart wurde, jedenfalls dann in der Steuerbilanz passiviert, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit auch aus dem sog. sonstigen freien Vermögen der Gesellschaft begehrt werden kann. Nach der Rechtsprechung des IV. Senats ist dies immer dann vereinbart, wenn der Gläubiger in der Besserungsabrede eine Befriedigung seiner Forderung aus dem sonstigen freien Vermögen nicht ausdrücklich ausschließt (BFH, Urteil v. 10.11.2005, IV R 13/04). Begehrt der Gläubiger dagegen eine Erfüllung der Forderung "nur" aus einem künftigen Jahresüberschuss (oder einem künftigen Bilanzgewinn) oder aus einem künftigen Liquidationserlös, ist die Verbindli...