Leitsatz

  1. Hat der Versammlungsleiter zur Beschlussfähigkeit festgestellt, dass 1.000/1.000stel der Wohnungseigentümer anwesend und vertreten sind, genügt dies auch für die Bekanntgabe von Vollmachten abwesender Eigentümer
  2. Fälschliche Bezeichnung des Verwalters "als Zeuge" und nicht als "Beteiligter" ist unschädlich, wenn ihm die Vorinstanz auch bei richtiger Bezeichnung geglaubt hätte
  3. Bei bestehenden generellen Zweifeln an der Richtigkeit einer Abrechnung besteht Anfechtungsberechtigung für einen Eigentümer auch dann, wenn Fehler nur einen geringen Betrag ausmachen
  4. Verteilung der Kosten für Baumfällarbeiten
  5. Fehlerhafte Abrechnung führt auch zur Ungültigkeit von Entlastungsbeschlüssen des Verwalters und beauftragter Rechnungsprüfer
  6. Die Vereinbarung in einer Gemeinschaftsordnung zu geforderter Dreiviertelmehrheit aller Eigentümer für eine Verwalterbestellung ist nichtig
 

Normenkette

§§ 21, 26, 28, 43 WEG a.F.

 

Kommentar

  1. Vertreterhandeln für Eigentümer muss grundsätzlich erkennbar sein (§ 164 Abs. 2 BGB). Wenn der Verwalter am Anfang einer Eigentümerversammlung allerdings feststellt, dass 1.000/1.000stel der Eigentümer anwesend bzw. vertreten sind, ist dies eine hinreichende Bekanntgabe, dass hier für nicht erschienene Eigentümer Vollmachten vorliegen. Eine Erklärung, dass im fremden Namen gehandelt wird, muss vom Vertreter nicht abgegeben werden, da es nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB keinen Unterschied macht, ob eine Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder sich aus den Umständen ergibt, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. Vorliegend wurde auch keine Rüge nach § 174 BGB erhoben, ebenso nicht die Vorlage schriftlicher Vollmachten gefordert (vgl. hierzu OLG München, NZM 2008 S. 92 = ZMR 2008 S. 236).
  2. Wurde von der Vorinstanz ein Verwalter als "Zeuge" bezeichnet und einvernommen, obgleich er nach § 43 WEG a. F. "Verfahrensbeteiligter" ist und als solcher zu vernehmen gewesen wäre, ist dieser Fehler unschädlich, wenn das Landgericht unabhängig von der Bezeichnung diesem Beteiligten ebenso Glauben geschenkt hätte.
  3. Ob genehmigte Abrechnungen inhaltlich richtig waren oder nicht, hätte das Landgericht nicht offenlassen dürfen. Sowohl das Landgericht als auch Merle in Bärmann, 11. Aufl., § 28 Rn. 122, berufen sich zu Unrecht insoweit auf die Entscheidung des BayObLG vom 10.1.1997 (2 Z BR 35/96). Das BayObLG hat dort nicht ausgesprochen, dass die Ungültigerklärung bei Kleinbeträgen nach Treu und Glauben nicht gefordert werden könne; vielmehr hat der Senat damals ausdrücklich ausgeführt, dass es für die Ungültigerklärung nicht darauf ankäme, in welchem Ausmaß sie sich auf die anteilige Belastung eines Antragstellers auswirke; "allenfalls" könnten Fehler einer Abrechnung hingenommen werden, die sich nur mit ganz geringfügigen Beträgen auswirkten; über die Frage, ob geringfügige Beträge einem Anfechtungsrecht entgegenstünden, hat der Senat seinerzeit keine Aussage getroffen, erst recht keine für den damaligen Fall entscheidungserhebliche.

    Materiell-rechtlich bestehen somit keine Einschränkungen, fehlerhafte Beschlüsse auch dann anzufechten, wenn sich ein Fehler betragsmäßig nur geringfügig auf eine Antragstellerseite auswirkt. Eine Beschlussanfechtung dient nämlich nicht nur dem persönlichen Interesse eines anfechtenden Eigentümers, sondern dem Interesse der gesamten Gemeinschaft an ordnungsgemäßer Verwaltung, sodass es schon aus diesem Grund nicht auf die Höhe eines Einzelinteresses ankommen kann (vgl. z.B. Klein in Bärmann, 11. Aufl., § 43 Rn. 171). Darüber hinaus würde ein Abstellen auf bestimmte, nicht näher quantifizierte Beträge zu nicht hinnehmbaren Verzerrungen führen; eine Anfechtungsbefugnis würde nämlich dann davon abhängen, in welchem Umfang ein Wohnungseigentümer fehlerhaft mit den Kosten belastet wurde; so könnte etwa ein Miteigentümer eines kleinen Appartements mit nur einem geringen Miteigentumsanteil von der Anfechtung ausgeschlossen sein, während ein anderer Wohnungseigentümer mit mehreren großen Wohnungen und zahlreichen Anteilen zur Anfechtung berechtigt wäre.

    Von einer schikanösen Anfechtung gegenüber den restlichen Eigentümern oder des Verwalters war vorliegend nicht die Rede. Es ging vielmehr um schon von Rechnungsprüfern geäußerte Bedenken gegen die Richtigkeit einer Heizkostenabrechnung und ergangener Beschlussfassung trotz dieser geäußerten Bedenken. Aus diesem Grund war der Streit zu weiteren tatsächlichen Feststellungen über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Abrechnung an das Landgericht zurückzuverweisen.

  4. Ungültigkeit der Abrechnung war auch deshalb zu bestätigen, da Kosten für das Fällen von Bäumen auf einer Sondernutzungsfläche falsch verteilt wurden. Vereinbart war nämlich hier in der Gemeinschaftsordnung, dass der jeweilige Sondernutzungsberechtigte die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der seiner Sondernutzung unterliegenden Gegenstände, insbesondere Grundstücksflächen zu tragen habe. In objektiv-normativer Auslegung der Vereinbarung ist davon auszugehen, da...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge