Alexander C. Blankenstein
1.1 Gesetzliche Grundlage
Der für die Jahresabrechnung seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 maßgebliche § 28 Abs. 2 WEG hat folgenden Wortlaut:
§ 28 Abs. 2 WEG
1Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. 2Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.
Satz 1 regelt den Gegenstand der Beschlussfassung, nämlich die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der auf Grundlage des Wirtschaftsplans beschlossenen Vorschüsse.
Nach Ablauf der Wirtschaftsperiode hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan zu erstellen, nämlich die Jahresabrechnung. Ergebnis der Jahresabrechnung und Beschlussgegenstand nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG sind dann die jeweiligen Abrechnungsspitzen. Insoweit kann es sich bei einer negativen Abrechnungsspitze um zu leistende Nachschüsse handeln und bei einer positiven Abrechnungsspitze um die Anpassung der auf Grundlage des Wirtschaftsplans zu leistenden Hausgeldvorschüsse.
Das nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG der Ermittlung der Abrechnungsspitzen dienende Zahlenwerk "Jahresabrechnung" selbst nimmt an der Beschlussfassung nicht teil. Anfechtungsklagen können demnach nicht allein auf formale Mängel der Jahresabrechnung gestützt werden. Nur dann, wenn sich Mängel im Abrechnungswerk "Jahresabrechnung" tatsächlich auch auf die nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG festgesetzten Nachschüsse bzw. Anpassungsbeträge auswirken, kann eine Anfechtungsklage erfolgreich sein. Insoweit kann der Beschluss über eine Abrechnungsspitze dann nicht erfolgreich angefochten werden, wenn nur die materielle Grundlage für dem Grunde nach abrechnungsfähige Kosten streitig ist, die Berechnung der Abrechnungsspitze im Übrigen aber nachvollziehbar und rechnerisch richtig ist und den Tatsachen entspricht.
Jahresabrechnung dennoch korrekt erstellen
Auch wenn rein formale Mängel der Abrechnung eine Beschlussanfechtungsklage nicht stützen können, hat jeder einzelne Wohnungseigentümer dennoch Anspruch auf eine Jahresabrechnung, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Keinesfalls also sollten sich Verwalter auf den Standpunkt stellen: "Weniger reicht auch". Zwar können die Wohnungseigentümer den ihnen zustehenden Individualanspruch auf Abrechnungserstellung nicht mehr direkt gegenüber dem Verwalter geltend machen, sondern nur noch gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dem Verwalter droht aber ein Regress im Hinblick auf die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auferlegten Verfahrenskosten. Insoweit besteht nämlich ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter. Insoweit hat selbstverständlich auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Erstellung einer mangelfreien Jahresabrechnung gegen den Verwalter.
1.2 Wer erstellt die Jahresabrechnung?
1.2.1 Gemeinschaftsordnung prüfen
Bei Übernahme einer neuen Gemeinschaft sollte der Verwalter die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung daraufhin prüfen, ob und in welchem Umfang Jahresabrechnungen für die zu verwaltende Gemeinschaft erstellt werden müssen. Die Vorschrift des § 28 WEG ist nämlich nicht zwingend und demnach abdingbar. Dies ergibt sich bereits aus § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG.
Abweichende Vereinbarungen
Keine Jahresabrechnung
Die Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung kann durch eine entsprechende Vereinbarung der Wohnungseigentümer abbedungen werden. Ein Mehrheitsbeschluss ist hierfür nicht ausreichend und nichtig.
Geänderte Mindestanforderungen
Die Mindestanforderungen an den Inhalt der Jahresabrechnung können durch Vereinbarung abgesenkt werden, sie können aber auch erhöht werden. So kann durchaus vereinbart werden, die Jahresabrechnung in Form einer Bilanz zu erstellen. Ein entsprechender Mehrheitsbeschluss wäre nichtig. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass das Ergebnis der Jahresabrechnung, das den eigentlichen Beschlussgegenstand nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG darstellt, nämlich die Abrechnungsspitze, auch Ergebnis des jeweils abweichend vereinbarten Rechenwerks sein muss. Wollen die Wohnungseigentümer insoweit vom Gesetz abweichen, müssen sie eine entsprechende neue Vereinbarung treffen. Eine Altvereinbarung, die ein anderes Ergebnis zum Gegenstand hätte, wäre nicht mehr wirksam. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die alte Fassung des WEG keine Vorgaben über den exakten Gegenstand der Beschlussfassung enthalten hatte.