Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Teilungültigkeit eines Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses (bei Mangel eines selbständigen Abrechnungspostens)
Fehlt in der Abrechnung der Anfangsbestand aller Gemeinschaftskonten, besteht nur ein Abrechnungs- Ergänzungsanspruch
Unterbliebene Heiz- und Warmwasserkostenverteilung eines an die Versorgung angeschlossenen Raumes (Teilungültigkeit der Abrechnung)
Entlastungsbeschluss-Ungültigkeit bei teilungültiger Jahresabrechnung
Normenkette
§ 16 WEG, § 28 WEG, § 9a Abs. 1 HeizkostenV
Kommentar
1. Ein Eigentümerbeschluss kommt dann zustande, wenn "mehr Wohnungseigentümer für als gegen den Beschlussantrag stimmen" (BGHZ 106, 179).
2. Die Jahresabrechnung muss eine geordnete und verständliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten; sie ist keine Gewinn- und Verlustrechnung und keine Bilanz, sondern eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, die die tatsächlichen Beträge einander gegenüberzustellen hat. Zu einer ordnungsgemäßen (vollständigen) Jahresabrechnung gehört ein Eigentümerbeschluss über die Jahresgesamtabrechnung einschließlich der Einzelabrechnungen. Eine vollständige Jahresgesamtabrechnung muss ferner den Stand der gemeinschaftlichen Konten zu Beginn und am Ende des Abrechnungszeitraumes ausweisen (heute Grundsätze nach h.R.M. und verfestigte Rechtsprechung des Senats).
3. Bleibt ein Raum, der an die Wärme- und Warmwasserversorgung angeschlossen ist, bei der Verteilung der Heizungs- und Warmwasserkosten auf die einzelnen Eigentümer unberücksichtigt, ist der Eigentümerbeschluss nur hinsichtlich der Einzelabrechnungen zum selbstständigen Abrechnungsposten "Heizung und Warmwasser" für ungültig zu erklären (Teilungültigkeit). Dies gilt selbst dann, wenn der Heizkörper und die Wasseranschlüsse in der betreffenden Räumlichkeit nicht in Betrieb genommen worden sein sollten. Allein die Möglichkeit, Wärme und Warmwasser zu entnehmen, und die damit unabhängig von einer tatsächlichen Entnahme verbundenen Bereitstellungskosten zwingen dazu, den Raum in die Umlegung der Kosten einzubeziehen. Hinsichtlich dieses selbständigen Abrechnungspostens ist die Beschlussfassung zur Jahresabrechnung für ungültig zu erklären.
Nach in Kraft befindlicher Heizkostenverordnung wird der tatsächliche Verbrauch zwingend als Abrechnungsgröße vorgeschrieben (vgl. §§ 3, 6 der HeizkostenV); soweit der tatsächliche Verbrauch in dem hier betroffenen Raum nicht festgestellt wurde, ist dieser nach § 9a Abs. 1 HeizkostenV zu ermitteln (zu schätzen).
4. Ein Eigentümerbeschluss über eine Abrechnung ist nicht für ungültig zu erklären, wenn kein Anfangsbestand aller Gemeinschaftskonten ausgewiesen wurde; insoweit besteht nur ein Ergänzungsanspruch und neues Beschlussfassungserfordernis hierüber nach Lückenschließung.
5. Ein Eigentümerbeschluss über die Entlastung des Verwalters ist dann für ungültig zu erklären, wenn der Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung wegen Mängeln der Jahresabrechnung teilweise für ungültig erklärt wird. Die Entlastung eines Verwalters bedeutet in der Regel ein negatives Schuldanerkenntnis hinsichtlich solcher Verwaltungshandlungen, die bei Beschlussfassung bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren. Wenn Eigentümern im Zusammenhang mit erhobenen Beanstandungen noch Ansprüche zustehen können, die durch einen Entlastungsbeschluss verloren gingen, entspricht die Entlastung nicht dem Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung, so dass ein dennoch gefasster Entlastungsbeschluss für ungültig zu erklären ist (ebenfalls h.M.).
6. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in allen Instanzen bei Geschäftswert in Dritter Instanz von DM 10.000 und in Erster Instanz von DM 19.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 28.10.1998, 2Z BR 116/98)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung