Zusammenfassung
Übernimmt ein Steuerberater die Aufstellung des Jahresabschlusses einer Kapitalgesellschaft, muss er ihn entsprechend der handelsrechtlichen Vorschriften aufstellen. Diese Pflicht ist verletzt, wenn der Jahresabschluss trotz erkennbarer Insolvenzreife auf Basis von Fortführungswerten aufgestellt wird. Die Leistung des Steuerberaters ist dann mangelhaft und der Steuerberater muss hierfür ggf. haften.
Hintergrund
Eine GmbH beauftragte den beklagten Steuerberater erstmals im Jahre 2005 mit der Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2003. In der Folge erstellte der Steuerberater auch die Jahresabschlüsse für die Jahre bis 2007, in denen jeweils ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ausgewiesen wurde. Der Steuerberater erinnerte die Geschäftsführung der GmbH zwar mehrmals an ihre Pflicht, die Insolvenzgründe zu prüfen. Zugleich setzte er aber weiterhin Fortführungswerte in den Abschlüssen an. Im Jahre 2009 stellte die GmbH schließlich Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter war der Ansicht, die Gesellschaft sei bereits bei Annahme des ersten Auftrags durch den Steuerberater im Jahr 2005 überschuldet und spätestens seit 2006 auch zahlungsunfähig gewesen. Da der Steuerberater die Aufstellung der Jahresabschlüsse trotzdem zu Fortführungswerten vorgenommen hat, verlangte der Insolvenzverwalters Ersatz für die Schäden aus der Verschleppung des Insolvenzantrags.
Entscheidung des BGH, Urteil v. 26.1.2017, IX ZR 285/14
Anders als die Vorinstanzen bejaht der BGH die Haftung des Steuerberaters dem Grunde nach. Dieser habe die Jahresabschlüsse für die Gesellschaft pflichtwidrig unter Ansatz von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt und hafte daher auf Schadensersatz.
Der Steuerberater sei verpflichtet, den Mandanten deutlich darauf hinweisen, dass der Ansatz von Fortführungswerten in der handelsrechtlichen Bilanz nur zulässig ist, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vorlägen. Dies gelte auch, wenn der Steuerberater keinen entsprechenden Prüfungsauftrag hinsichtlich dieser Voraussetzungen erhalten habe und daher nicht zu entsprechenden Untersuchungen verpflichtet sei. Darüber hinaus habe der Steuerberater eine entsprechende Hinweispflicht hinsichtlich der Insolvenzantragsgründe, wenn Anzeichen für deren Vorliegen vorhanden sind. Im entschiedenen Fall war dies der über mehrere Jahre anwachsende, nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag. Der von dem Steuerberater erteilte allgemeine Hinweis auf die Prüfungspflicht der Geschäftsführung entlaste diesen nicht.
Anmerkung
Mit dem Urteil erhöht der BGH die Anforderungen an Steuerberater in Krisensituationen und verschärft deren Haftungsrisiken.
Die bisherige Rechtsprechung, wonach ein Steuerberater in der Dauerberatung regelmäßig weder der Gesellschaft noch der Geschäftsführung gegenüber zu Hinweisen auf (mögliche) Insolvenzgründe verpflichtet war (Urteil vom 07.03.2013 - IX ZR 64/12), gibt der BGH ausdrücklich auf.
Folgen für die Praxis
Steuerberatern ist zu empfehlen, das Urteil ernst zu nehmen und zukünftig den Hinweis- und Warnpflichten, wie sie der BGH definiert, nachzukommen und dies zu dokumentieren. Gerade, wenn sich aus der Historie der letzten Abschlüsse schon anwachsende nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge ergeben, muss der Steuerberater zukünftig zumindest überschlägig prüfen, ob nach insolvenzrechtlichen Maßstäben eine Überschuldung gegeben ist und die Geschäftsleitung konkret informieren. Allgemeine Hinweise auf insolvenzrechtliche Pflichten genügen nicht.