Rz. 23
Abs. 3 Satz 1 sieht vor, dass Seeleute, die auf Seeschiffen beschäftigt sind, die nicht oder nicht mehr berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen, auf Antrag des Reeders in die Sozial- und Arbeitslosenversicherung einbezogen werden. Abs. 3 hat normativen Charakter. Es handelt sich um eine Sonderform der Versicherungspflicht auf Antrag (Wietek, in: LPK-SGB IV, 1. Aufl. 2007, § 2 Rz. 15). § 6 geht ggf. vor. Mittels § 2 soll die soziale Sicherung deutscher Seeleute auf sog. ausgeflaggten Schiffen bei Arbeitslosigkeit verbessert werden. Wer Deutscher ist, regelt § 2 Abs. 1a. Seeleute sind Personen, die auf einem Seeschiff (abhängig) beschäftigt sind (§ 13 Abs. 1 Satz 2). Deutsche Seeschiffe sind alle zur Seefahrt bestimmten Schiffe, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen (§ 13 Abs. 2). Soweit es um den Begriff des Seeschiffs geht, kann zudem § 121 Abs. 3 SGB VII herangezogen werden.
Rz. 24
Die Regelung soll gewährleisten, dass die bisherigen negativen Auswirkungen der seeschifffahrtspolitisch unerwünschten, aber nicht vollständig zu verhindernden Ausflaggung deutscher Seeschiffe (zum Begriff § 13 Abs. 2 SGB IV) auf die soziale Sicherung der auf diesen Schiffen beschäftigten deutschen Seeleute (zum Begriff § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere für den Fall der Arbeitslosigkeit, künftig vermieden werden. Seeleute werden nunmehr nicht anders behandelt als sonstige im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer (BT-Drs. 13/8994 S. 86). Damit soll zugleich ein Hemmnis für die Bemühungen der deutschen Seeschifffahrt abgebaut werden, Nachwuchs zu finden, denn deutsche Seeleute müssen infolge dieser Regelung nicht mehr befürchten, durch Ausflaggung sozial schlechter gestellt zu werden als Arbeitnehmer an Land. Auf Empfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundestages wurde der Ausschluss der Anwendung der Ausstrahlungsregelung (§ 4 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2) auf Seeleute aufgehoben (BT-Drs. 13/8994 S. 86).
Rz. 25
In Abs. 3 Satz 1 ist nach Nr. 1 (Versicherung in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung) und Nr. 2 (Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung) zu unterscheiden. Die Versicherungspflicht setzt jeweils einen Antrag des Reeders (zum Begriff des Reeders vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1; zum Antrag § 16 SGB I) voraus. Ausweislich der Ausschussberatungen ist auf eine angedachte Verpflichtung des Reeders, den Antrag zur Einbeziehung in die Versicherungspflicht zu stellen, zunächst verzichtet worden. Der Ausschuss hatte hierzu die Befürchtung geäußert, dass dadurch die Beschäftigungschancen der betroffenen Seeleute beeinträchtigt werden (BT-Drs. 13/8994 S. 67).
Rz. 26
Diese Regelungen hatten nicht den erwünschten Erfolg. In den Jahren 1997 und 1998 haben die Reeder in keinem Fall und bis September 1999 nur in 2 Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die deutschen Seeleute auf ihren ausgeflaggten Schiffen in der deutschen Sozialversicherung zu versichern (BT-Drs. 14/5146 S. 105). Auch die Ausstrahlungsregelungen sind leergelaufen, weil die Bemannung ausgeflaggter Schiffe i. d. R. durch ausländische Arbeitnehmer erfolgte. Aus diesem Grund wurde Abs. 3 durch Art. 4 Nr. 2 des AVmG um Satz 2 ergänzt. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass durch Zwischenschaltung ausländischer Reedereien als Treuhänder die soziale Absicherung deutscher Seeleute umgangen wird (BT-Drs. 14/4595 S. 142). Die Reeder werden nunmehr verpflichtet, die Einbeziehung der betreffenden Seeleute in die Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu beantragen. Adressat der Regelung ist – wie auch sonst im Seerecht – der Reeder und nicht der davon möglicherweise verschiedene Arbeitgeber. Denn der Reeder kann als Herr des Schiffes nicht nur alle das Schiff betreffenden Angelegenheiten bestimmen; er trägt auch die entsprechende Verantwortung.
Rz. 27
Deutsche Seeleute i. S. d. § 2 Abs. 3 sind wegen Art. 4 und Art. 12 EGV 883/2004 (Amtsblatt der EU v. 29.4.2004, L 166/19 bzw. L 166/24) auch Seeleute aus einem EU-Mitgliedstaat. Anderseits schränkt Art. 11 Abs. 4 EGV 883/2004 (a.a.O, L 166/24) die Antragsberechtigung ein, denn ein Antrag kann – folgerichtig – dann nicht mehr gestellt werden, wenn das Schiff unter der Flagge eines Mitgliedsstaats der EU fährt. Dann gilt das Recht dieses Mitgliedstaats mit der Folge, dass eine Sozialversicherung nach deutschem Recht ausgeschlossen ist. Eine Ausnahme zu Art. 11 Abs. 4 EGV 883/2004 bildet Art. 12 EGV 883/2004. Bei Entsendung einer Person auf ein Seeschiff durch ein Unternehmen aus einem Mitgliedstaat bleibt das Recht des Entsendestaates unabhängig davon anwendbar, unter welcher Flagge das Seeschiff fährt (zutreffend Padé, in: juris-PK SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 2 Rz 31).
Rz. 28
Angesichts des Wortlautes bleibt fraglich, ob es für eine Antragsberechtigung ausreichend ist, dass alleine ein Seemann auf dem betreffenden Seeschiff Deutscher ist oder ob eine Personengruppe deutsche Staatsangehörigkeit hat (so Seewald, a. a. O., § 2 Rz. 9) oder sogar nur die Mehrheit der Beschäftigten deutscher Staatsangeh...