2.1 Zuständiger Versicherungsträger für die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge
Rz. 3
Zu Unrecht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge sind zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Gemäß § 351 Abs. 1 SGB III gilt abweichend von § 26 Abs. 2 für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenversicherungsbeiträge, dass sich der zu erstattende Betrag um den Betrag der Leistung mindert, der in der irrtümlichen Annahme von Versicherungspflicht gezahlt worden ist. Der Erstattungsanspruch steht nach § 26 Abs. 3 demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.
Die zu Unrecht entrichteten Beiträge sind von dem Versicherungsträger zu erstatten, der diese Beiträge erhalten hat.
Allerdings können die Rentenversicherungsträger nach § 211 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und die Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 351 Abs. 2 Nr. 2 SGB III mit den Einzugsstellen oder Leistungsträgern vereinbaren, dass diese die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge bzw. der Beiträge zur Arbeitsförderung übernehmen.
Die zuvor erwähnte Möglichkeit einer Vereinbarung haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger sowie die BA genutzt und Gemeinsame Grundsätze für die Auf- bzw. Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung – zuletzt unter dem Datum v. 20.11.2019 – herausgegeben (abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung.de).
Für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege- und/oder Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung aus Entgeltersatzleistungen haben die am gemeinsamen Beitragseinzug Beteiligten tabellarische Übersichten über die Zuständigkeit für die Entscheidung über Erstattungsanträge erstellt. Die Versicherten sollten sich wegen der Erstattung der auf Entgeltersatzleistungen entfallenden Beiträge jeweils an ihre Krankenkasse wenden.
2.2 Begriff "Zu Unrecht entrichtete Beiträge"
Rz. 4
Eine Legaldefinition des Begriffs "zu Unrecht entrichtete Beiträge" ist im SGB nicht enthalten. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass darunter die Beiträge zu verstehen sind, die ohne Rechtsgrund entrichtet worden sind. Maßgeblich für die Prüfung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Beitragsentrichtung (BSG, Urteil v. 31.3.2015, B 12 AL 4/13 R). Zu Unrecht sind Beiträge entrichtet, wenn zum Zeitpunkt der Entrichtung weder ein materieller noch ein formeller Rechtsgrund hierfür bestand. Materiell rechtsgrundlos entrichtet sind insbesondere Beiträge, die irrtümlich in der Annahme von Versicherungspflicht geleistet wurden. Beiträge können auch der Höhe nach zu Unrecht entrichtet sein. Fehlt es an einem materiellen Rechtsgrund, so sind die Beiträge dennoch nicht zu Unrecht entrichtet, solange ein bestandskräftiger oder zumindest vollziehbarer Bescheid die Beitragsleistungspflicht regelt (Beitragsbescheid) bzw. das Bestehen von Versicherungspflicht feststellt (BSG, Urteil v. 13.9.2006, B 12 AL 1/05 R). Beiträge sind in diesem Fall erst dann zu erstatten, wenn der formelle Rechtsgrund in Gestalt des Bescheides durch Anfechtung bzw. im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X rückwirkend erfolgreich beseitigt wurde (vgl. BSG, Urteil v. 31.3.2015, B 12 AL 4/13 R). Warum Beiträge zu Unrecht entrichtet wurden, ist für den Erstattungsanspruch unerheblich. Es kommt nicht darauf an, auf wessen Verschulden hin die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind. Selbst wenn der Irrtum der Beitragsentrichtung vom Versicherten oder vom Arbeitgeber verschuldet wurde, sind die Beiträge zu Unrecht entrichtet und können unter den in den Abs. 2 und 3 normierten Voraussetzungen erstattet werden. Sogar die Kenntnis von der Nichtschuld schadet nicht. Einen dem § 814 BGB entsprechenden Einwand sieht § 26 grundsätzlich nicht vor (BSG, Urteil v. 23.5.2017, B 12 KR 9/16 R). Der Begriff "zu Unrecht" hat den früher verwendeten Begriff "irrtümlich" abgelöst, ohne dass eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war, sodass zur Begriffsdefinition auch auf die Rechtsprechung zum "irrtümlich entrichteten Beitrag" zurückgegriffen werden kann.
Der Irrtum kann sich auch auf die Höhe der Beitragsleistung erstrecken, z. B. auf zu hohe Beiträge infolge unrichtiger Berechnung der Beiträge oder unrichtiger Zugrundelegung des Arbeitsentgelts.
Das BSG hat mit Urteil v. 18.11.1980 (12 RK 59/79), entschieden, dass auch bei Wandlung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach bis dahin als Arbeitsentgelt angesehene Arbeitnehmerbezüge nicht mehr dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen sind, die überzahlten Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich zu erstatten sind. Eine Ausnahme gilt allerdings im Interesse der Rechtssicherheit für den Fall, dass über die gezahlten Beiträge ein bindender Bescheid vorliegt; dann ist die Erstattung ausgeschlossen.
Entfällt eine ursprünglich bestehende Beitragspflicht durch rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht, sind die gezahlten Beiträge nach dem Urteil des B...