2.1 Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers (Abs. 1)
Rz. 13
Die Grundaussage zur Aufzeichnungspflicht trifft Abs. 1 Satz 1. Hiernach hat der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich dieses Gesetzes in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung (§ 28p) folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Hierdurch sollen die Versicherungsträger in die Lage versetzt werden, Fragen der Versicherungspflicht rückwirkend prüfen zu können.
Rz. 14
Die Aufzeichnungspflicht wird dem Arbeitgeber auferlegt. Der Begriff Arbeitgeber ist arbeitsrechtlicher Natur und zu unterscheiden vom Begriff des Unternehmers, der wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Bedeutung hat (vgl. Dautzenberg in https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/arbeitgeber-29864/version-253461). Legaldefinitionen finden sich in § 2 Abs. 3 ArbSchG und § 6 Abs. 2 AGG. Nach § 2 Abs. 3 ArbSchG sind Arbeitgeber "natürliche und juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen ... beschäftigen".
Rz. 15
Arbeitgeber ist grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person, die einen Arbeitnehmer beschäftigt. Beschäftigte sind u. a. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG). § 6 Abs. 2 AGG definiert nahezu wortgleich. Maßgebend ist, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Arbeitgeber ist hiernach derjenige Teil des Arbeitsverhältnisses, der die Dienstleistung vom Arbeitnehmer kraft des Arbeitsvertrags fordern kann und damit die wirtschaftliche und organisatorische Dispositionsbefugnis über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und den Nutzen aus ihr hat. Insoweit kommt es auf den im Einzelfall erkennbaren Parteiwillen an (BAG, Urteil v. 27.9.2012, 2 AZR 838/11).
Rz. 16
Unter besonderen arbeitsvertraglichen Verhältnissen (z. B. Leiharbeitsverhältnis, mittelbares Arbeitsverhältnis), in denen die Arbeit von einer anderen Person als dem Vertragspartner zu leisten ist, kann eine Aufspaltung der Arbeitgeberstellung in Betracht kommen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG: "Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts."). Beim Konzern kann je nach Vertragsgestaltung die Konzernobergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft oder beide Arbeitgeber sein. Arbeitgeber kann ferner eine Personengesellschaft (z. B. OHG, KG) sein. Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, kann mithin Arbeitgeber sein (hierzu BGH, Urteil v. 19.1.2002, II ZR 331/01).
Rz. 17
Unerheblich ist, ob der Beschäftigte ganz oder teilweise in Heimarbeit tätig wird. Das folgt schon aus der Schutzfunktion des Gesetzes, ergibt sich aber auch aus dem Wortlaut. Die Vorschrift stellt allein darauf ab, dass der Arbeitgeber dritte Personen beschäftigt. Ob diese ihre vertraglichen Pflichten in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, in eigenen Räumlichkeiten, reisend oder in fremden Büros/Arbeitsstellen erbringen, ist rechtlich unerheblich. Entscheidend ist allein, dass ein Arbeitsverhältnis des Arbeitgebers mit dem Beschäftigten besteht.
Rz. 18
Der Arbeitgeber hat für jeden Beschäftigten Entgeltunterlagen zu führen. Das folgt unmissverständlich aus dem Wortlaut des § 28f Abs. 1 Satz 1, der insoweit allumfassend formuliert ist. Die einzige Ausnahme postuliert Satz 1 für private Haushalte. Unerheblich ist daher, ob der Beschäftigte der Versicherungspflicht unterliegt. Der Begriff "Beschäftigter" ist im Abgleich mit jenem des Arbeitgebers zu verstehen (dazu soeben Rz. 14 f.). Ausnahmen vom Grundsatz, dass jedes Beschäftigungsverhältnis eine Aufzeichnungspflicht begründet, sind nur nach Maßgabe des Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 vorgesehen. Demzufolge bezieht sich die betreffende Aufzeichnungspflicht auf alle Beschäftigten, also auch auf versicherungs- und/oder beitragsfreie Beschäftigte und damit insbesondere auch auf geringfügig Beschäftigte (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.1.2018, L 2 R 245/17).
Rz. 19
Die fraglichen Vorgaben gelten daher auch für geringfügig Beschäftigte i. S. d. §§ 8, 8a SGB IV (vgl. Geringfügigkeits-Richtlinien v. 14.12.2023, S. 83). Insbesondere die Aufzeichnungspflicht für versicherungsfrei geringfügig entlohnte oder kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) ist erforderlich, um die ordnungsgemäße Zahlung der Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie Fragen der Versicherungspflicht ggf. auch rückwirkend prüfen zu können. Die Aufzeichnungspflicht sowie die Auskunfts- und Vorlagepflicht nach § 98 Abs. 1 SGB X und die Pflicht, sich Betriebsprüfungen zu unterziehen (§ 28p), trifft daher auch solche Arbeitgeber, die nur Pauschalbeiträge für geringfügig entlohnte oder für versicherungsfrei kurzfristig Beschäftigte entrichten oder die überhaupt keine Beiträge zu zahlen haben. Der Arbeitgeber hat die für die Versicherungsfreiheit maßgebenden Angaben in den Entgeltunterlagen aufzuzeichn...